Wir ersticken am Zweitakter, China hat Next-Level-Probleme

Der unten verlinkte Artikel ist zwar schon vom letzten Jahr, aber mir war das in dieser Dimension bisher noch nicht bewusst, wie weit uns China voraus ist:

  • heute fahren über 200 Millionen E-Roller auf Chinas Straßen
  • die zweisitzigen Flitzer kosten um die 2000 Yuan (270 Euro)
  • In Peking sind im Jahr 2015 113 Menschen nach Scooterunfällen gestorben

Da in China Menschenleben offenbar noch etwas mehr wert sind als in München oder Stuttgart, gibt es jetzt, trotz der immensen Bedeutung dieses Vehikels für den Wirtschaftsstandort, ein Scooter-Verbot in Großstädten.
Seit den alarmierenden Unfallzahlen in Peking wird das Verbot dort auch rigoros durchgesetzt und existiert nicht nur auf dem Papier, so wie die Kennzahlen deutscher Premiumfahrzeuge.

Wenn der Artikel nicht fünf Tage später erst erschienen wäre, hätte ich es für einen Aprilscherz gehalten, dass die Chinesen einerseits schon so viel weiter sind was die E-Mobilität angeht und dass sich deren Regierung nicht nur darum kümmert Unfallschwerpunkte zu beseitigen, sondern die – im Vergleich zu Abgasopfern in Deutschland noch lächerlich geringen – Menschenverluste zudem als „gravierendes Problem“ für China bezeichnet.

Hier der Artikel:
China sagt Elektrorollern den Kampf an

Angesichts solcher Tatsachen wirkt es immer erstaunlicher, dass selbst Ingenieure deutscher Autokonzerne und Professoren deutscher Universitäten weiterhin an den Verbrennungsmotor glauben oder diesen zumindest im Eigeninteresse weiter fördern wollen.

Ein schöner Artikel .
Dennoch verstehe ich deine Argumentation nicht, wenn du sagst, China sei uns hier weit voraus:
Zum einen werden die E-Scooter verboten und von verschiedenen (offenbar großen, gefährlichen, vielleicht auch zu prestigeträchtigen) Straßen verbannt. Und das konsequent - OK, was die konsequente Umsetzung angeht, gehe ich mit dir.
Dennoch möchte ich nicht dafür verhaftet werden, so wie es in China geschieht, wenn ich mit einem E-Scooter in einer verbotenen Straße fahre. Ist das „Fortschritt“?

Was aber das eigentliche Thema angeht, nämlich die Verbannung von E-Scootern, so wird in China auch nur das Problem verschoben: Die E-Scooter werden einfach verbannt. Vielleicht werden einige nun wieder auf einen höherwertigen Scooter mit 2-Takter setzen. Mit dem Ausbau des Nahverkehrs könnte sich das Problem natürlich etwas entspannen.

Man darf nicht vergessen, dass die E-Scooter sich vor allem durchgesetzten, weil sie sich jeder Chinese leisten kann.

Der Individualverkehr in China ging vom Fahrrad über den Zweitakt-Roller zum E-Scooter. Wer es sich leisten kann, hat natürlich inzwischen ein Auto. Der E-Scooter-Boom wurde durch ein Verbot der Zweitakt-Roller angestoßen. Die sind weiterhin verboten, da ist kein Rückfall zu befürchten.
China hat durch dieses Verbot die eigene Industrie und die E-Mobilität massiv befördert. E-Scooter sind für die breite Masse der Stadtbewohner erschwinglich, jeder kennt sich mit Laden, Reichweite und so weiter aus.
Vielleicht soll das bewährte Konzept weiter getrieben werden? E-Scooter verbieten, Verbrenner-Autos durch die Zulassungslotterie schicken - dann kaufen die Chinesen auch E-Autos. So wurde der weltweit größte Markt für E-Autos geschaffen. Und er wächst rapide weiter.

E-Scooter = Elektroroller?

Ich halte es für falsch, wenn Elektroroller durch Elektroautos abgelöst werden müssen. Die einzige Alternative wäre ein funktionierender öffentlicher Personennahverkehr.

Danke @volker, diese Brücke fehlte mir - also der Punkt, dass die 2-Takt-Roller verboten wurden.

Aus meiner Sicht wäre es am zielführendsten, die E-Scooter sicherer zu machen (die Krux ist natürlich, dass dies den Kaufpreis erhöhen würde).
Verbrenner-Autos zu verbieten wäre der nächste wichtige Schritt, um die EV zu fördern. Denn es ist ja ein Gewinn für alle:

  • Die Luft wird besser, somit weniger Gesundheitsgefährdung, weniger Krankheiten, weniger Armut = mehr Wirtschaftskraft
  • Die Binnenwirtschaft wird angekurbelt durch die Fertigung neuer

Gleichzeitig muss der ÖPNV ausgebaut werden, um dem Stau-Problem vorzubeugen, welches ja den Roller-Trend erst den Anschub gegeben hat.
Viele dieser Konzepte sind auch auf Europa übertragbar; man betrachte einmal den Verkehr in Rom.

In Hamburg gibt’s übrigens seit Kurzem einen neuen Roller-Sharing-Dienst. Man kann sich E-Scooter wie car2go oder auch StadtRad günstig mieten. Ich muss es mal ausprobieren. Ist leider nur in der Innenstadt verfügbar.

Das ist genau was ich meinte. Wir lernen hier alle gerade dazu und es ist erschreckend, wie weit uns die Chinesen in dieser Zukunftstechnologie voraus sind. Es wirkt angesichts der Zahlen geradezu weltfremd, dass die Kanzlerin jemals das Ziel hatte uns als Leitmarkt für Elektromobilität zu positionieren.
Wenn man dann sieht wie sich vermeintlich schlaue Leute in unserem Land mit haarsträubender Argumentation an der Vergangenheit festkrallen (siehe auch das Video „Die Zukunft des Verbrennungsmotors“ von Horst Lünung), dann muss man sich schon die Frage stellen, ob das der richtige Weg in die Zukunft ist.

Übrigens wurden die E-Roller in Peking einzig und alleine wegen der vielen Unfälle an Straßen mit Gefahrenschwerpunkten verboten, was ja durchaus Sinn macht. Bei uns ist es bis heute fast undenkbar zur Rettung von ein paar hundert oder tausend Menschenleben in den Straßenverkehr einzugreifen.
Mich erstaunt die Faktenlage vor allem deshalb, weil wir gerne mit dem moralischen Zeigefinger auf die Chinesen deuten, selber aber kein wenig besser sind, ganz besonders wenn Arbeitsplätze oder kurzfristige Quartalsgewinne gefährdet sein könnten.