[Satire!]
Versetzen wir uns mal in den Kopf politischer Entscheidungsträger:
Wir befinden uns in der Rhein-Main-Region, wollen Elektromobilität fördern und sind als Stadt Wiesbaden ein wenig hinterher - um es mal freundlich zu formulieren. Aber es gibt Fördermittel des Landes und damit setzen wir jede Menge Ladesäulen in die Stadt. Aufgeholt!
Im Probebetrieb locken die Säulen mit kostenfreiem Strom. Nach öffentlichkeitswirksamer Eröffnung stellt sich die Frage nach Abrechnung der Ladevorgänge. Das kann man getrost der zweiten Reihe überlassen. Schließlich trifft das nur noch die Elektromobilisten, eine kaum relevante Wählergruppe.
Im Kopf der zweiten Reihe bei den Stadtwerken ESWE:
Die Mainzer, Frankfurter, Darmstädter usw. haben ja schon länger Ladesäulen und dort gibt es natürlich auch schon Servicepartner. In Mainz ist innogy der Platzhirsch. Geht also gar nicht! Schließlich muss man sich doch von diesem Wiesbadener Vorort abgrenzen! Was liegt da näher, als nach Kollegen Ausschau zu halten? Schließlich gibt es einen bedeutenden Verbund von Stadtwerken. Mit dabei sind die Stadtwerke von Bietigheim-Bissingen, Schussental, Waldkirch, aber auch Ingolstadt oder Wuppertal. Ist das meine Liga? Egal! Hauptsache die klare Trennung von Mainz und WIesbaden wird nicht nur durch den - im letzten Jahr sowieso grenzwertig unzuverlässigen - Rhein markiert:
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Zurück im realen Leben fährt nun ein E-Fahrer unbedarft an eine Ladesäule, die er noch im Dezember problemlos nutzte. Stutzig macht ihn, dass keine Säule durch einen Steck-Verbrenner blockiert wird, der keinen Strom, sondern nur einen Parkplatz braucht. Da scheint die angekündigte Abrechnung eingeführt zu sein - sehr gut.
Überraschenderweise schalten weder Ladekarten noch APPs die Säule frei, die ihre Bemühungen in nicht näher erläuterter und daher nicht übersetzbarer Blinksprache kommuniziert. Also Hotline anrufen. Das hat schließlich letzte Woche sogar in einer etwas abgelegeneren bayerischen Region, einer Gemeinde mit 2.500 Einwohnern, wunderbar funktioniert als Schneesturm das Handy offline schickte. Hier regnet es immerhin. Die Nummer auf der Säule führt dann aber nicht direkt zur Hotline des Serviceanbeiters, sondern zur Störungsannahme der Stadtwerke. Naheliegend! Die richtige Nummer soll per SMS kommen. Beim dritten Anruf vermittelt dann die Störungsannahme der Stadtwerke freundlicherweise direkt zum Serviceanbeiter weiter. Geschafft!
Denkste: Die Bitte um sofortige Freischaltung der Ladesäule - die Bemühungen waren seit über 10 Minuten vergeblich - wird abgeschmettert mit dem Hinweis, dass das Programm erst starten müsse. Ratlosigkeit! Was hat der Gesprächspartner davor gemacht? Als nach mehreren Minuten Wartens die Warmline schließlich Empfangsbereitschaft meldet, hilft die Ladesäulen-ID nicht weiter: Die Adresse muss es sein! Und danach jede Menge Fragen, um schließlich zu erkennen, dass dies ein Problem für die „Fachabteilung“ sei. Der nach 20 Minuten gestresste und durchnässte E-Fahrer ringt nach Worten, nun doch bitte einfach die Säule freizuschalten, aber es kommt wie es kommen muss.
Der dritte Gesprächspartner: Erneutes Durchkauen der Historie. Die Coldline gibt immerhin an, die Säule freischalten zu können. Damit hatte aber auch schon der Programmstarter zuvor geprotzt. Jetzt trotzdem weiter machen, obwohl nach fast einer halben Stunde Spielerei der nächste Termin fast platzt? Immerhin demonstriert der Gesprächspartner seine Allmacht durch Lichterspiele und Klickgeräusche aus der Säule. Also mitspielen, Stecker ziehen, einstecken, Ladevorgang am Auto neu starten usw.
Abbruch! Eine halbe Stunde ist verstrichen, der letzte Satz des „Service“-Partners an der Frozenline „Ich kann doch nicht einfach die Säule freischalten!“ überzeugt den E-Fahrer nun endgültig, sich unter Absingen schmutziger Lieder ins Trockene und zum Termin zu begeben. Zum Glück fragt niemand nach dem Grund der Verspätung, denn die vorangegangene Marketingmaßnahme diente sicherlich nicht der Förderung der Elektromobilität.
Sehnsucht macht sich breit nach Schneesturm im kleinen bayerischen Dorf. In Wiesbaden steht man im Regen.