Weil es das Model 3 betrifft und ich nicht so genau wusste, wo es sonst hin soll, ist hier mal eine „kurze“ persönliche Meinung zum AutoBild Artikel:
So, die Auto Bild macht den großen Vergleich… Tesla gegen die deutschen Premiummarken… Model 3 gegen Audi und BMW. Das kann ja was werden, dachte ich mir, als ich bei Youtube einen Headliner gesehen hab. Ohne mir das Video anzuschauen dachte ich mir, ich lese erstmal den Artikel. Also schnell zu Readly und da war er schon.
Getestet wurden ein BMW 330e (Grundpreis: 51k Testwagen: 74k!), ein Audi A4 Quattro 45 TFSI (Grundpreis: 46k Testwagen: „weit über 60k“) und … ein Tesla Model 3 SR+ (Grundpreis 44k) Hmmm… warum ein SR+? Kein Long Range Allrad oder gar Performance Model 3? Warum? Bei den beiden anderen hat man doch auch nicht die Grundausstattung genommen? Der Long Range Allrad mit 52k oder der Performance mit 56k wären doch immer noch viele tausend Euro unter den anderen beiden gelegen? Oder wollte man anhand der „Motorleistung“ vergleichen?
Na gut, also weiter gelesen.
Was wird als erstes betrachtet? Na klar, die Verarbeitung und Materialqualität. Es wird wieder mal über Spaltmaße und billigen Kunststoff, engratete Leuchten und Kofferraummatten diskutiert. Da sind die deutschen Premiummarken natürlich WEIT voraus… wenn ich mir den Innenraum meines BMW 435 so ansehe… wer da nicht das erweiterte Lederinterieur bestellt hat, bekommt auch nur billiges Plastik und knarzende Armablagen, aber ok.
Das Platzangebot und die Sitzbank im Fond wird kritisiert, bei BMW lediglich etwas „angemahnt“. Vom tollen Raumgefühl vorne beim Tesla und dem aufgeräumten Cockpit ohne unzählige Knöpfe ist keine Rede. Bei Audi is eh alles perfekt.
Der Lacher für die Redakteure natürlich die Spiele und das Furzkissen… wer soll sowas schon ernst nehmen? Ist jetzt für mich ehrlich gesagt auch kein Kaufgrund, daher natürlich ein gefundenes Fressen.
Nun die wichtige Disziplin für uns alle. Performance und Handling! Kleinlaut und nur in einem Halbsatz muss man sich der Power selbst des SR+ geschlagen geben. Gegen ein Long Range oder gar Performance Model 3 hat man sich erst gar nich getraut. Aber bei der Kurvenlage, dem anbremsen und der Strassenlage sind die voll ausgestatteten Testwagen mit M Sport Individual und S-Line Paket dem Basis Model 3 um Welten überlegen! Und der Allrad von Audi „fährt auf dem Ring wie auf Schienen“. Da hätte man auch mal schauen können, wie gut der Allrad von Tesla ist.
Vom Alltagsgebrauch wird nich so viel geredet. Da fährt man ja nur mit 50 durch den Ort, ein wenig über die Landstrassen bzw. fährt oder steht auf den deutschen Autobahnen im Berufsverkehr. Da ist die Überlegenheit in den Kurven sicher ausschlaggebend. Danke, da hab ich lieber früh eingreifendes ABS.
Nun aber zur Wertung… Klar, bei Verarbeitung, Fahrdynamik und Komfort is nix zu holen. Beim Antrieb teilt man sich den ersten Platz nüchtern mit dem BMW (mit bis zu 70km rein elektrischer Reichweite!) Jetzt gehts aber los:
Connected Car ist hinter dem BMW und Audi auf Platz 3? Are you kidding me? Im Artikel wird das Audi System bemängelt, weil es zu weit vom Fahrer weg is und das BMW Instrumentencluster als „Murks“ bezeichnet wegen den gegenläufigen Instrumenten. Und der Tesla kommt auf den dritten Platz, weil die Spracheingabe nich so toll ist??? Ich persönlich hab meine Spracheingabe beim BMW nur zum testen verwendet, mehr nicht. Aber ok, gibt sicher auch Leute, denen das wichtig ist. Internet auf einem großen Touchscreen? Updates per WLAN, die Funktionalität erweitern, ohne in die Werkstatt fahren zu müssen? Keine Rede. Da versteh ich die Gewichtung mal gar nicht.
Weiter gehts mit der Umwelt. Knapp den ersten Platz für Tesla, aber „der Strom und der Akku kommen auch woher“. Und das Benzin materialisiert sich direkt im Tank der beiden anderen? Vom 12kWh Akku des BMW gar nich zu reden.
Alles in allem belegt das Model 3 den dritten Platz mit ausreichend Respektabstand. Das ist für mich wieder ein Test der reicht um am Stammtisch gut dazustehen. Und als deutsche Zeitung die deutschen Automarken gut zu präsentieren. Ich könnte jetzt noch schreiben, wie unfair es ist, ein SR+ gegen die anderen beiden antreten zu lassen. Aber selbst das hat gereicht um entgratete Rücklichter und Furzkissen als Argumente ziehen zu müssen.
Ich hätte mir gewünscht, dass es einen Vergleich der Alltagstauglichkeit der Fahrzeuge gibt.
Bei 1,46 Personen pro Fahrzeug (laut Bundestag bundestag.de/presse/hib/201 … 536-548536) wäre dann der Fond auch nich so wichtig. Wichtiger wäre, wie sich die Fahrzeuge im normalen Strassenbild verhalten, nicht auf einer Test- oder Handlingsstrecke.
Über den Umweltaspekt gibt es viele Meinungen. Klar, unser Strom ist (noch) nicht Grün, die Batterieherstellung auch nicht. Die Ölförderung und Verarbeitung aber ebenso wenig. Wieviel Energie verbraucht wird um einen Liter Benzin von der Quelle bis in den Tank zu bringen, davon redet keiner.
Was mir als Fazit bleibt ist eine verpasste Chance diese Autos objektiv zu testen, zu messen und zu vergleichen. Die Chance die Stammtischparolen zu durchbrechen, auch wenn es vielleicht etwas weh tut oder unbequem ist. Stattdessen wurde der deutsche Automobilbau in Schutz genommen.
Klar ist das ein primärer Industriezweig hier und es hängen viele Arbeitsplätze, Steuergelder, ja ganze Existenzen daran. Aber gerade deshalb sollte sich diese Industrie mit voller Energie dieser „neuen“ Technologie widmen und neue Geschäftsstrategien entwickeln! Der Automobilbau hat sich auch nicht um die Arbeitsplätze der Kutschenbauer und Hufschmiede gekümmert. Wir sollten nur aufpassen, dass wir in Zukunft nicht die qualitativ hochwertigsten Kutschen bauen…
Noch kurz zu mir:
Ich bin jetzt seit 20 Jahren BMW Fahrer (3er, 4er, 5er, Z3… sowohl Benziner als auch Diesel). Ich fahre derzeit (noch) kein Elektroauto. Allerdings bin ich ein Befürworter der Elektromobilität! Ich identifiziere mich also durchaus mit dem deutschen Automobilbau, aber nicht mit der derzeitigen Strategie und der Berichterstattung.
Und natürlich ist das alles meine persönliche Meinung. Jeder hat das Recht, das anders zu sehen.
Gruß
Siggi