Guten Abend, Freunde der gepflegten Überbreitenkarosserie… eine Kurzgeschichte nicht ohne Schmunzelfaktor.
Ich bin - zugegebener Maßen - etwas genervt von der summon / Herbeirufen Funktion: Meine Garage liegt, wie vermutlich 90% aller Garagen, im rechten Winkel zur Fahrbahn und genau 5m von selbiger entfernt. Ich fahre also die Straße entlang, dann öffnet „homelink“ zuverlässig die Garage wenn ich auf deren Höhe bin, ein Stück noch weiter, Rückwärts 90 Grad rum so dass ich meine Garage angucke und dann wären es ja nur noch 1-2m plus besagte 5m plus nochmal 5m in der Garage, und zwar exakt geradeaus und fast ebenerdig, sollte also fürs Autoparken ganz locker zu schaffen sein. Also raus aus dem Auto, das Handy gezückt und auf Herbeirufen-vorwärts gedrückt - genug Zeit dazu ist ja in unserer Spielstraße.
Nach wenigen gefühlt aber endlosen „Ich finde noch kein LTE“-Sekunden setzt sich der Tesla in Bewegung und „rammt“ mit seinen 450PS mit sicherlich Nullkommafünf Km/h den abgerundeten Minibordstein zwischen Fahrbahn und Gehweg auf dem Weg in die Garage. Entsetzt ob dieser unerwarteten Gefahr lässt er sich zurückfallen und setzt neu an - ich drücke am Handy weiter tapfer auf vorwärts und grüße meinen Nachbarn, der gerade vorfährt. Im dritten Versuch schafft das MS die unglaubliche 2,5 cm Hürde und während der Nachbar, der eigentlich einfach nur vorbeifahren wollte, geduldig seinen Verbrenner abstellt, um dem bunten Treiben zuzuschauen, erstürmt das Modekl S nach nur einem weiteren Meter Fahrstrecke die nächste schier unüberwindbare Kluft. Wer hätte das bei der Programmierung der Summon-Funktion ahnen können, dass es neben Bordsteinen zwischen Fahrbahn und Fußweg auch noch winzige Erhöhungen zwischen Fußweg und Garageneinfahrten geben kann? Nun, die 1,5cm sind nicht wirklich der Rede wert: Zwei Mal abstellen, Fahrzeug verriegeln und per Handy komplett neu angesetzt - schon ist auch dieses Hinderniis überwunden.
Die App warnt: Sie sind zu weit von Ihrem Fahrzeug entfernt, also geh ich ein paar Schritte näher, immer hoffend, dass ich dadurch die Nahbereichsüberwachung nicht störe- tue ich aber und das Auto schaltet meinen nächsten Versuch des Autoparkens brutal ab. Vor uns liegen aber auch nur noch 4,5m zur heimischen Garage, rechts eine Mauer, links der bissige Audi meiner Frau in Schlagabtauschreichweite (daher bin ich ja schon auf der Straße ausgestiegen). Apropos Schlagabtausch: mein Nachbar hat mittlerweile sein Auto verlassen und fordert von mir ein Geduldsbier zum verzögerten Feierabend, was ich ihm - mit der einen Hand noch immer auf dem ins LTE-Netz gestreckten
Handy „Vorwärts“ drückend, aus der ja glücklicherweise noch leeren Garage mit der anderen Hand herausfische.
Mutig geht es beim MS voran - doch ach: das Auto hat ja noch eine Hinterachse! Und selbiger widerfährt nun gleiches Schauspiel, dass zuvor die Vorderachse und unseren Nachbarn an den Rand zum Aufgeben trieb: Erster Bordstein, ein-zwei-drei Versuche, zweiter Bordstein: zwei Versuche, puh, geschafft. Zwei weitere Anwohner sind inzwischen - nebst Hund und Kindern („Kevin, kuck ma der Wagen tut von ganz alleine nich vorwärts kommen“) auf die Showbühne meiner Gragabeneinfahrt getreten und fachsimpeln über die Gebrechen der Autoparkwelt… „vielleicht kannadatt ja nur rückwärts schaffen, wa?“ nein, kann er nicht, schon zigmal ausprobiert, und jetzt sind wir ja auch bald vorwärts am Ziel…
Und siehe da: Nichts scheint nun das Auto noch aufhalten zu können, mit Vollbeleuchtung und Warnblinker preschen wir nun auf die einladend geöffnete Betonfertiggarage zu, eine Grage, wie man sie millionenfach in jeder Mittelstandssiedlung findet, vermutlich Baujahr 1995, und - ja, natürlich - hat sie eine Minimetallkante als unteren Anschlag für das Tor und als tragenden Rahmen für die gesamte Torkonstruktion und weil der Boden vor der Garage um echte 1,5cm nach links abfällt ist sie dort 4cm hoch und rechts 2,5cm, Ihr ahnt es schon. Man hört das Model S quasi stöhnen, als es die Garage erreicht. Nach kurzem Innehalten an der Kante des Grauens wird aber - unter infernalischem Anfeuern meiner drei meine letzten Bierreserven vernichtenden Nachbarn, der 4cm Mount Everest mutig angegangen… in Superzeitlupe dreht sich das vordere linke Rad auf die Schwelle und eine geschätzte tausendstel Sekunde vorm sicheren Ziel stellt sich das Fahrzeug ab… hat wohl zu lang gedauert. Ich drücke zum gefühlt 500sten Mal auf dem Handy auf „Vorwärts“ und mit dem Lösen der Bremse rutscht das MS den gewaltigen „Berg“ wieder komplett hinab und versucht es noch einmal… und noch einmal und : Aus. „Einer geht noch, einer geht noch rein“ grölt das Publikum deutlich angeheitert, während Kevin den Bremsstaub aus den Felgen des Audi mit den Händen aufwischt und großzügig auf dem arktikweißen Lack verteilt. Ich zwänge mich in den Tesla und noch bevor der Fahrersitz seine individualisiert abgespeicherte Position eingenommen hat, habe ich die Vorderachse in der Garage und die Spiegel noch weit genug vom Rahmen entfernt, um noch mit einigen Verrenkungen, die meines Alters eher nicht mehr würdig sind, wieder ins Freie zu gelangen. Den Rest sollte er jetzt aber wirklich schaffen, doch auch die Hinterachse schaft die Schwelle nicht.
Ungefragte Schützenhilfe kriegt das im Autoparkmodus leistungskastrierte Fahrzeug nun trotz meines lautstarken Protestes von der versammelten Bierfraktion, die mit „1-2-hau-ruck“ das Heck begrapschen, als müsse Santa Claus nebst Schlitten aus einer Gletscherspalte geborgen werden. Der gehörige Schrecken, den diese Aktion meinem Zweieinhalbtonnen-Sensibelchen einjagt, lässt es sich gleich wieder abstellen. Hier kommt nun erschwerend der Fakt zu tragen, dass die 0815-Beton-Aus-einem-Guß-Fertig-90er-Jahre-Garagen leider LTE und WLAN-Signale vermutlich ebenso perfekt abschirmen wie den radioaktiven Fallout im unwahrscheinlichen Falle, dass Kollege Trump auf der anderen Seite des Teichs den falschen Knopf drückt. Die App zückt eine Fehlermeldung nach der anderen, warum ein Kommunikationsaufbau mit dem Fahrzeug derzeit nicht möglich sei und mein banger Blick auf das Garagentor wartet nur noch darauf, dass der Homelink das Fahrzeug bereits nach nur 20 Minuten Rangiererei im Stall wähnt, das Tor zufährt und somit mein Dach eindrückt, aber dazu kommt es nicht mehr, weil ich schon entnervt wieder im Auto sitze, manuell wie vor 100 Jahren die letzten Meter in die Garage zirkele und das Tor zufahre: So bin ich meine verhassten Nachbarn los und kann mich zugleich in meinem geliebten Auto, aus dem ich in meiner Normgarage eh nicht beschädigungsfrei aussteigen könnte, endlich zur Ruhe legen… muss ja morgen eh wieder zur Arbeit und vielleicht taugt das Hemd ja noch für nen zweiten Tag, aber ein Bier, das wär jetzt schön…
Alles fast exakt so passiert: ja, ich weiß, dass das MS nur Hindernisse bis 2,5 cm im Autoparkmodus schaffen können muss, aber - mal ehrlich - dann können 90% der Kunden die Funktion daheim nicht nutzen. Kann man irgendwas rekalibrieren, irgendwas ändern? 10 - was sag ich - 5 PS mehr Leistung im Autoparkmodus und alles wäre gut… Bin für jeden Tipp dankbar und : Nein, ich werde nicht das der Stadt gehörende Bordsteinchen absenken oder die Stahlschwelle des Torrahmens aus meiner Garage herausflexen.
Mit entnervtem - aber dennoch - amüsiertem Gruß ,
Euer Creeeter