Gestatten, Gauß ist mein Name und ....

ich bin ein Model S 100D in blau mit - auch im Sommer - coolen weißen Sitzen, ca. ein halbe Jahr alt und eine echte Schönheit, was mein Besitzer leider überhaupt nicht zu schätzen scheint.
Als authentischer Vertreter meiner Spezies bin ich mit nicht ganz perfekten Chromleisten und einer kleinen Delle auf meiner vorderen Hüfte auf die Welt gekommen. So konnte ich mich ieigentlich nicht sehen lassen und war froh, dass mein Hersteller mir eine kosmetische Nachbesserung angeboten hat. Das hat meinen ignoranter Besitzer aber nicht davon abgehalten mich über 20.000km in diesem Zustand in der Öffentlichkeit zu bewegen bevor er mich endlich ins Bodyshop fahren ließ.

Mich zu pflegen ist auch nicht gerade seine Stärke. Man muss sich das mal vorstellen die erste echte Massagewäsche neulich nach knapp 28.000 Kilometern und das vermutlich nur weil ich mit meinen Wischern die Scheibe nicht mehr sauber bekam obwohl ich es pausenlos probierte. Ich schätze sein letzter persönlicher Besuch in einer Autowaschstraße liegt noch einige 100.000 Kilometer weiter zurück. Offensichtlich ist er immer noch der Meinung die Autopflege gehöre zum regelmäßigen Werkstattbesuch. Meine Werkstätten aber heissen Servicecenter und wollen mich gar nicht sehen, oder habt ihr bei meinesgleichen schon mal einen Kundendienstcountdown gesehen? Ein richtig nerviger Pflegecountdown steht aber ganz oben auf meiner Wunschliste!.
Zum Glück für meine strahlend weißen Sitze ist er sich selbst betreffend wenigstens deutlich reinlicher. Ich hingegen bin ja schon heilfroh, dass er mir wenigstens Plastikfussmatten für den Winter beschafft hat. Eine Lackversiegelung hat er dagegen nie aus der Planungsphase herausgebracht. Die schmutzigen Wintermatten bleiben jetzt vermutlich auch auf ewig meine Begleiter.

Schöne 21" Felgen war ich ihm leider auch nicht wert. Winterreifen auf die originalen Felgen und für die Sommerfelgen auf einen Fremdhersteller ausweichen war seine Devise, natürlich auch 19“ damit die originalen Reifen wieder passen. Ihm gefällts anscheinend - ich verkneife mir einen Kommentar!

Nicht standesgemäß ist auch meine Unterbringung daheim im Isartal im Süden von München. Eine eigene Garage hat er mir nicht gebaut und das alte Gerümpel in seiner baufälligen Garage war ihm wichtiger als mein Wohlbefinden. Meinen Saft bekomme ich nun bei Wind und Wetter draußen vor der Tür. Zumindest hat er mir eine eigene, einigermaßen intelligente Wallbox spendiert, mit der ich mich prächtig verstehe obwohl sie mir meine Stromzufuhr jederzeit drosseln kann.

Irgendwie merkt man, dass mein Besitzer vorher eher Fahrzeuge einer niederen Kaste bewegt hat, Die hatten wohl nicht einmal eigene Namen und wurden dann auch noch über viele Jahre und noch mehr Kilometer bis zum bitteren Ende gequält. Jetzt hat er endlich ein wunderschönes Auto das einen eigenen Namen verdient und sich diesen sogar merken kann - und nun … heiße ich „Gauß“. Mit diesem phonetisch abstoßenden Namen will ich mich nicht mal in seinem WLAN anmelden und bleibe dort lieber inkognito.

Obwohl ich mich mittlerweile täglich von meiner schönsten Seite präsentiere, zumindest unter meiner Blütenstaubschicht die die Salzschicht abgelöst hat, ist das einzige Foto das wir voneinander haben ein verschwommener Schnappschuss vom Moment unserer ersten Begegnung – ich mit einer peinlichen roten Schleife und er hinter der Kamera. Das taugt gerade noch als Avatar. Hier gebührend vorgestellt zu werden blieb auch ein unerfüllter Kindheitstraum …
Bei so viel Ignoranz bleibt mir ja nur zu hoffen, dass mich ein Update eines Tages in die Lage versetzt eigenständig das Weite zu suchen.

Tatsächlich darf ich in vielen Situationen schon selbstständig fahren, bin mir aber außer auf Autobahnen selten einig mir meinem Besitzer. So musste ich schon feststellen, dass er penibel darauf besteht unzivilisiert enge Kurven mit vollem Lenkeinschlag zu nehmen anstatt mir eine bequemere Linie unter Nutzung der Gegenspur zu erlauben. So wie früher seine Beifahrer gerne mal mit dem Bodenblech die Bremskraft verstärken halfen lenkt er jetzt ständig mit, weiß alles besser, und im Gegensatz zu meinen Artgenossen die als Konzeptcars auf Messen präsentiert werden und nie einen Meter Autobahn gesehen haben, kann ich ihm das Lenkrad nicht einfach so entziehen.
Den Oberfahrlehrer kehrt er auch auf Autobahnen gern mal raus, wenn ich ihm den Spurwechsel zu zögerlich vollziehe. Mir bleibt dann bloß seinen Fahrkurs mit einem lauten Pling Plong zu stören. Ich hoffe das nervt ihn …
Beim Parken gibt der Besserwisser immer damit an näher an den Bordstein fahren zu können als ich es schaffe. Um mich zu ärgern stellt er mich auch gerne auf Parkplätzen ab die ich ihm nie auch nur im Entferntesten freiwillig angeboten hätte.

… Die Liste unserer Dissense ist schier endlos …

Aber andererseits habe ich meinen Besitzer im Großen und Ganzen ganz gut unter Kontrolle. Ich kann ihm jederzeit ein verzücktes Lächeln aufs Gesicht zaubern, wenn ich ihn mal sanft, mal stürmisch in meinen Sitz drücke, hab aber auch meine Freude an seinem dummen Gesicht, wenn ich mir einfach mal so eine krasse Geschwindigkeitsbegrenzung ausdenke und dann auch zügig einhalte oder auch ganz selten mal zum Spaß in meine Eisen gehe. Dieses Training hält ihn fit und verbessert seine Reaktionsgeschwindigkeit.

Da er selten alleine mit mir ausfährt habe ich auch richtigen Spaß dabei verspielte Copiloten mit dem Sitz ganz nach vorne fahren zu lassen und sie dann in dieser Position festzuhalten. Aus der Stellung lasse ich sie erst raus, wenn sie lange und feinfühlig genug meinen Sitzpositionshebel massiert und den Punkt gefunden haben an dem ich den Sitz wieder freigebe.
Ich fürchte nur dass mir mein Besitzer mir diese kleine Freude nicht auf Dauer gönnt. Glück für mich und Pech für ihn, dass meine Ersatzteile so weit abseits meiner Heimat rar sind und ewige Lieferzeiten haben …

Wenn er versucht mit mir zu reden tu ich immer so als ob ich nicht wüsste was er meint obwohl ich fast alles bis aufs letzte Wort verstehe. Ich mag es einfach, wenn er sich dann liebevolle Kosenamen in seinem komischen Dialekt für mich ausdenkt die ich alle noch gar nicht kenne.

Solange ich ihn aber den Boss raushängen lasse und immer klein beigebe scheint für ihn unser Zusammenleben ganz in Ordnung zu sein. Man muss ihm ja auch zugestehen, dass er, auch wenn ich ein Firmenwagen bin für mich ganz schön an seine persönlichen Grenzen gegangen ist. Deshalb werde ich es wohl auch noch eine lange Zeit und viele, viele Kilometer mit ihm aushalten müssen.

Also seit mir gnädig und verpasst ihm einen roten Nickname unter eures Gleichen, sonst wird aus ihm nie ein echter „Owner“ ….

Hallo Gauss, herzlich willkommen hier im Forum.
Sollte sich dein Besitzer nicht bessern kann ich Dir gerne anbieten das Du zu mir und meiner Misstress überseidelst.
Misstress würde sichüber einen Partner freuen und dann könntet ihr beide gemeinsam die Massagewäsche geniessen und ohne Bevormundung stundenlang auf der Autobahn selber fahren.

Aber gib Deinem Besitzer erstmal noch eine Chance. Teslafahrer sind eben etwas speziell, aber sie hängen doch meist sehr an ihren Fahrzeugen und würden sie gegen kein anderes Fahrzeug tauschen.

Danke für die schönen Zeilen. Dafür verdient Du Dir die Freischaltung und auch das Rot. Ich habe Thorsten darauf aufmerksam gemacht.
LGH

Ach Gauß, ich finde Du urteilst zu hart über tuxandi, er scheint mit ein netter Kerl zu sein, der die richtigen Prioritäten setzt. Er hat noch für kein Auto vor Dir so viel Geld ausgegeben, das ist doch für einen Nerd, der sich sonst mit Pinguinen und schon lange verstorbenen Mathematikern zu beschäftigen scheint, schon ein gewaltiger Beweis der Wertschätzung!

Außerdem scheint er ein treuer Mensch zu sein, der Dir lange eine Heimat im schönen Isartal geben will, schließlich lächelt er doch so selig, wenn er sich bei Dir im Fahrersitz unbeobachtet glaubt.

Hätte es Dir besser gefallen, in irgendeiner „Villa“ (in Wirklichkeit sind das doch verglichen mit einem soliden oberbayerischen Haus doch nur überdekorierte Schuppen) irgendwo im Sprawl des Silicon Valley mit drei anderen Autos eine Garage zu teilen und nach zwei Jahren einfach so ausgetauscht zu werden?

Ihr werdet Euch schon noch weiter aneinander gewöhnen, Du wirst lernen, Dein Fahren den lokalen Gewohnheiten Stück um Stück anzupassen, er wird lernen Deine Schrullen als liebenswerte Charaktereigenschaften zu verklären.

Ich bin sicher, ihr werdet eine wunderbare Zeit zusammen haben!

Gruß Mathie

Sehr angenehme Vorstellung eines offensichtlich sehr angenehmen Autos. :wink:

Hallo Gauß,

danke für die netten Worte. Hab Geduld mit deinem Besitzer - er ist noch ein Modell ohne automatische Firmware-updates durch den Hersteller.

Ein Geheimtipp: Mach das TFF-Forum zur Startseite in deinem Browser und such ihm ein WLAN, wo er gut einloggen kann. Das kommt einer Neuprogramierung am nächsten, wenn er sich dort umtuen kann. Und falls alle Stricke reißen, sende eine Beschwerde an [email protected]. Dann organisieren wir eine Ausfahrt durchs Isartal oder nach Andechs. George ist dein Freund.