Ich war am Donnerstag viel unterwegs und musste am Ende noch vor Geschäftsschluss nach Bremen Überseestadt, ohne vorher viel Zeit zum Laden zu haben.
Alle Ladestationen in der Nähe meines Zielorts waren belegt, so dass ich dort dann mit 7% Akku parkte. Meine Nachfrage nach einer Außensteckdose wurde verneint.
Als ich eine Stunde später wieder ins Auto steig, war der Akkustand zu meinem Entsetzen durch Abkühlung schon auf 2% gefallen!
Die Ladestationen in der Nähe waren ja belegt, der Supercharger Brinkum ca. 13 km entfernt, andere Leute sind schon mit 5% liegen geblieben und ich hatte nur noch 2%. Versteht ihr, dass ich etwas nervös wurde?
Was sollte ich also tun? Irgendwo warten, bis die Ladestation frei wird? Ganz langsam nach Brinkum fahren? An einem Haus anhalten und um Strom betteln? Noch mehr Akku verschwenden auf der Suche nach freien Ladestationen in der Nähe? Diese Ideen rasten mir abwechselnd durch den Kopf während ich schon mal los fuhr, damit der Akku nicht noch kälter und leerer wurde.
Schon nach wenigen Kilometern zeigte das Batteriesymbol 0% an. Die Navigation zum Supercharger Brinkum zeigte -3% und wies mich darauf hin, dass ich dringend laden muss, machte aber keine konstruktiven Vorschläge, wie.
Mit 0% auf der B6 liegen bleiben schien mir nicht verlockend, also fuhr ich ab und suchte mir einen Weg durch Wohngebiete, bei denen ich notfalls an einem Haus anhalten und um Strom betteln konnte. Ich stellte mir vor, wie peinlich das werden würde. Ausgerechnet ich, der die Vorteile der Elektromobilität stets verteidigt und für den Reichweitenangst ein Fremdwort ist. Ich schlich also mit 40 und ausgeschalteter Heizung bei 4 Grad Außentemperatur durch die Wohngebiete, die Begrenzungslinie auf der Energieanzeige kroch langsam immer weiter runter von 300 auf 150 auf 120 und die Angst kroch langsam immer weiter runter von meinem Kopf in meinen Bauch. Glücklicherweise habe ich einen Lappen im Auto, so dass ich die von meinem Angstschweiß beschlagenen Scheiben wischen konnte…
Auch auf der Landstraße vor Bremen-Stuhr fuhr ich weiterhin so langsam, dass ich mir wie ein Verkehrshindernis vorkam. Auf keinen Fall das Spaßpedal tiefer als einen Zentimeter treten!
Mittlerweile war ich „nur“ noch 2 km von Ikea entfernt und nahm mir vor, lieber mit 20kW bei Ikea zu laden, falls bis dahin die Begrenzungslinie auf 75kW gesunken ist.
Kurz vor Ikea stand ein Laster quer auf der Straße. Mir war klar, dass ich mir nicht leisten konnte, hinter ihm anzuhalten, im Stau zu warten und später wieder anzufahren. Ich versuchte, ihn auf der Gegenspur zu passieren, realisiert dann aber, dass sich auch vor dem Laster beide Spuren so stauten, dass ich nicht auf sie zurückkehren konnte. Ich bin also schnell links abgebogen (ein weiterer Umweg!) und habe den Stau umfahren. Als ich schließlich bei Ikea war, stand die Begrenzungslinie noch bei ca. 100kW, ich entschloss mich also, die letzten paar 100m zum Supercharger auch noch zu wagen. Hoffentlich war das kein Fehler!
Natürlich war die Ampel an der Kreuzung vor dem Supercharger auch noch rot. Naja, mit Galgenhumor freute ich mich über das Rekuperieren beim sanften Ausrollen. Aber würde mein Auto noch einmal wieder anfahren? Trotz aller Sanftheit, mit der ich das Spasspedal die letzten 13km gestreichelt habe, kostet Anfahren nun mal die meiste Energie. Ich fuhr also langsamer über die Kreuzung als der Kleinwagen vor mir (ein völlig neues Tesla-Gefühl) und rollte bibbernd auf die Tankstelle vor dem Supercharger zu. Ich betete (bin kein religiöser Mensch), dass ich die letzten Meter auch noch schaffen würde. Alle möglichen Notfallpläne schossen mir durch den Kopf. Kann man den Abschleppmodus noch aktivieren, damit die Parkbremse nicht arretiert? Dran denken, den Ladeanschluss noch zu öffnen, bevor es nicht mehr geht! Kann ich ein 2 Tonnen Auto schieben?
Naja, ich hatte Glück: ich bin tatsächlich noch bis zum Supercharger gekommen! Jetzt liebe ich mein Auto noch mehr.
Aber versucht bloß nicht, mir das nachzumachen! Das hätte normalerweise schief gehen müssen.