Hallo,
Analog zu den Threads
Kapazität und Verbrauch Model X
und
Wie weit kommt ihr mit eurem Model X?
und als Erweiterung/Präzisierung meines mittlerweile 2-jährigen mathematischen Modells des Model S aus
Supercharger: Optimale Fahrgeschwindigkeit
möchte ich hier ein überarbeitetes, ziemlich genaues Modell des Model S (no pun intended) vorstellen.
Ziele des Modells waren:
- So einfach und intuitiv verständlich wie möglich zu sein
- Dennoch flexibel genug zu sein, die Reichweiten des Reichweiten-Rechners von Tesla so gut wie möglich abbilden zu können
- Die Temperaturabhängigkeit des Reichweiten-Rechners über einen möglichst grossen Temperaturbereich ebenfalls relativ genau abbilden zu können (wichtig für den kommenden Winter!)
Ich habe das Modell nur für das Model S 90D mit 19"-Rädern erstellt, und ohne Heizung oder Klimaanlage. Es sieht folgendermassen aus:
Vortriebsleistung PV
Diese setzt sich aus Rollreibungsleistung PR und Luftwiderstandsleistung PL zusammen:
Rollwiderstandsleistung PR
Diese is nur abhängig von der Masse m, der Erdbeschleunigung g, des Rollwiderstandskoeffizienten cr und der Geschwindigkeit v:
Luftwiderstandsleistung PL
Hier kommt die bekannte Formel zum Zug:
wobei die Luftdichte ρ von der universellen Gaskonstante RGas und der Temperatur T abhängig ist:
Motorleistung PM
Der Motor und das Getriebe werden mit einem gemeinsamen, konstanten Wirkungsgrad η modelliert, der dann eine Beziehung zwischen Motorleistung PM und Vortriebsleistung PV herstellt:
Elektrische Leistung
Bordcomputer, Bildschirme, Sensoren etc. benötigen in meinem Modell eine konstante Leistung. Somit ist die gesamte elektrische Leistung, die im Auto benötigt wird, die Summe aus Motorleistung PM und der Konstantleistung PC:
Ohmsche Verlusleistung
Die oben errechnete elektrische Leistung ist nicht die Leistung, die der Batterie entnommen wird, denn dazu muss der Strom durch denn Innenwiderstand der Batterie, durch diverse Kabel und durch die Leistungselektronik fliessen. Diese Komponenten modelliere ich gemeinsam als einen einfachen ohmschen Widerstand RΩ. Die elektrische Leistung PE, die im Auto benötigt wird, ist also die Differenz zwischen Leistung, die die Batterie abgibt (PB) minus die Ohmsche Verlustleistung (PΩ):
Die Verlustleistung ist abhängig vom ohmschen Widerstand RΩ und dem Strom I der ihn durchfliesst. Letzterer lässt sich aus der elektrischen Leistung an der Batterie PB berechnen:
wobei die Batteriespannung UB als konstant 400 V angenommen wird. Das führt zu folgender quadratischer Gleichung für die elektrische Leistung PE und die Batterieleistung PB:
Die Lösung dieser Gleichung sieht folgendermassen aus:
Zusammenfassung Leistung
Wir haben also einen analytischen Ausdruck, der aus der Geschwindigkeit v die Vortriebsleistung PV (bestehend aus Rollreibungsleistung PR und Luftwiderstandsleistungs PL) berechnen kann. Nach Einbezug von Motorwirkungsgrad η und der Konstantleistung PC erhalten wir die gesamte benötigte elektrische Leistung PE, und nach Berücksichtigung von elektrischen Verlusten die Leistung PB, die aus der Batterie entnommen wird.
Batteriemodell
Auch die Batterie bekommt ein eigenes Modell, und zwar für die Temperaturabhängigkeit. Der Grund dafür ist, dass ich es nicht geschafft habe, die unterschiedlichen Reichweiten des Reichweitenrechners bei unterschiedlichen Temperaturen anders hinzubekommen. Und tatsächlich zeigt das Auto ja bei sehr niedrigen Temperaturen einen Teil der Batteriekapazität als „eingefroren“ und nicht verfügbar an, insofern ist es wohl legitim, die Batteriekapazität abhängig von der Aussentemperatur zu modellieren.
Die Energie EB, die also der Batterie entnehmbar ist, is abhängig von der spezifizierten Batteriegrösse ESpez (also 90 kWh für den 90D) und einem Nutzbarkeitsfaktor, den ich mit 0.9 annehme, was bei 90 kWh zu 81 kWh nutzbarer Kapazität führt, was realistisch sein sollte. Weiter nehme ich an, dass diese 81 kWh bei 20 Grad Aussentemperatur korrekt sind, darunter die entnehmbare Energie aber abnimmt und darüber zunimmt, und zwar linear abhängig von der Temperatur und einem Faktor fR, der die Temperaturabhängigkeit angibt:
wobei T20 °C der konstanten Temperatur von 20 °C in Kelvin entspricht.
Reichweite s
Jetzt, da wir von der Fahrgeschwindigkeit v zu einer benötigten Batterieleistung PB kommen können und auch wissen, wie viel Energie EB in der Batterie bei einer gegebenen Temperatur T gespeichert ist, können wir berechen, wie lange bzw. welche Strecke s wir damit fahren können:
Was jetzt noch fehlt, sind Werte für all die Parameter in den obigen Gleichungen.
Kalibrierung
Das Modell wurde mit den Daten vom Tesla-Reichweitenrechner von -10 bis +30 Grad kalibriert und alle unbekannten Parameter des Modells simultan optimiert. Die Daten für 40 Grad habe ich weggelassen, denn entweder sind sie falsch oder es passiert irgendwas im Akku, das mein einfaches Modell nicht repräsentieren kann. Aber da 40 Grad Aussentemperatur in Europa sowieso nicht relevant sind, ist das Weglassen für die Kalibrierung nicht wirklich ein Problem.
Die bekannten Parameter des Modells sind (bzw. werden von mir so festgelegt):
- m = 2200 kg
- g = 9.81 m/s^2
- cr = 0.01
- A = 2.34 m^2
- cw = 0.24
- p = 1.013e5 Pa
- RGas = 287 J / (kg * K)
- UB = 400 V
- PC = 100 W
- ESpez = 90 kWh = 90 * 3.6e6 J
Und die unbekannten Parameter haben folgende Optimalwerte nach der Kalibrierung:
- fT = 0.1028
- ROhm = 0.5069 Ohm
- η = 0.8917
Der Wert von 0.1 für fT bedeutet, dass sich eine Temperaturänderung von 10% (in Kelvin) zu etwa 1% auf die Batteriekapazität auswirkt. Das führt dann bei -10 Grad zu einer Kapazität von nur noch 80.17 kWh statt 81 kWh.
Die Plausibilität des Widerstands von einem halben Ohm kann ich nicht wirklich beurteilen. Der Wirkungsgrad von 89% für E-Motor + Getriebe erscheint mir dagegen realistisch.
Reichweiten-Graph
Eine Grafik der Reichweite bei 20 Grad ist hier ersichtlich:
Die Reichweite für andere Temperaturen bekommt ihr, wenn ihr einfach den folgenden, ziemlich sperrigen String ins Google-Suchfeld eingebt (ja, Google kann auch Graphen generieren, ziemlich cool das Ganze!), ihr dabei aber das rote „+20“ zwei Mal durch z.B. „-10.0“ für -10 Grad ersetzt:
1e-3 * (x/3.6) * (0.9 * 903.6e6 * ((1-0.1028) + 0.1028(273.15+20)/293.15)) / ((400^2/0.5069)/2 - sqrt((400^2/0.5069)^2/4 - ((22009.810.01*(x/3.6) + 0.51.013e5/(287(273.15+20))2.340.24*(x/3.6)^3)/0.8917 + 100)*(400^2/0.5069))) from 70 to 120
Wichtig: Das Modell is nur für Geschwindigkeiten zwischen 70 und 120 km/h und für Temperaturen zwischen -10 und +30 Grad kalibriert (gemäss Daten des Tesla-Reichweitenrechners), und jeweils ohne Heizung/Klimaanlage (an einem Modell für Heizung/Klima arbeite ich noch). Ausserhalb dieser Bereiche ist das Modell möglicherweise ungenau.
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