Seit ich diesen Thread eröffnet habe, habe ich systematisch Erfahrungen mit Mitfahrgelegenheiten gesammelt. Im Sommer hatte ich einige längere Fahrten, in denen ich sonst entweder allein oder zu zweit im Auto gewesen werde. Nun werden die Fahrten jahreszeitlich bedingt wieder weniger und kürzer, und außerdem ist dann meist die Familie mit an Bord, so dass das Experiment als vorläufig abgeschlossen betrachtet werden kann.
Erste Erkenntnis: flinc kann man vergessen, BlaBlaCar funktioniert trotz (oder wegen?) des albernen Namens super! Über flinc kam kein einziger brauchbarer Kontakt zustande, obwohl ich die ersten paar Fahren auf beiden Plattformen eingetragen hatte, um genau das zu testen. Über BlaBlaCar habe ich fast immer gut passende Mitfahrer gefunden, teilweise auch innerhalb von Stunden ganz spontan.
Auf insgesamt 10 längeren Fahrten (Hin- und Rückfahrt jeweils einzeln gezählt) habe ich mehr als 20 verschiedene Mitfahrer mitgenommen. Meine Erfahrungen waren ausnahmslos positiv! Natürlich versteht man sich mit dem einen mehr und liegt mit dem anderen vielleicht nicht so auf einer Wellenlänge. Das ist normal und gehört dazu, wenn man fremde Menschen trifft, das macht es ja auch gerade interessant. Aller Mitfahrer waren freundlich, aufgeschlossen und pünktlich, kein einziger ungepflegt, unverschämt oder sonst wie in unangenehmer Weise auffällig. Bei einem gab es eine größere sprachliche Barriere, die das Treffen leider sehr verkomplizierte und einiges an Zeit gekostet hat – nachdem er aber erst mal bei mir im Auto saß, verlief der Rest der Reise angenehm und reibungslos. Über den Fahrpreis gab es nie Diskussionen, die Bezahlung hat immer problemlos geklappt. Einmal hatte einer kein Bargeld dabei und musste sich am Ziel von seinem Kumpel was leihen… Naja, verpeilt. Naturgemäß waren viele Studenten oder junge Leute in ihrem ersten Job dabei, aber durchaus auch einige ältere Semester um 50 oder 60 Jahre, ob nun alleinstehend und reiselustig, oder in Wochenendbeziehung mit ihrem Lebenspartner fern-pendelnd, oder um das neue Auto (sic!) von einem Händler am anderen Ende der Republik abzuholen.
Einige haben gezielt den Tesla gebucht, weil sie das Auto spannend fanden – aber das war insgesamt eine kleine Minderheit. Die meisten hatten keine rechte Ahnung und es war ihnen wohl auch erst mal ziemlich egal. Während der Fahrt stieg dann in allen Fällen das Interesse, und naturgemäß drehte sich auf jeder Fahrt das Gespräch zumindest vorübergehend um Elektroautos im Allgemeinen und Tesla im Besonderen. In den Gesprächen und in den Bewertungen auf der Plattform gab es einen einzigen Kommentar der Art: „Etwas zeitaufwendig war das Auftanken an der Steckdose. Dafür hat er mich direkt zu meiner Zieladresse gefahren. Würde jederzeit wieder mit ihm fahren.“ Kein anderer hat sich in irgendeiner Weise negativ über mein Auto oder über unsere Zwischenstopps (häufig zwei oder sogar drei Supercharger-Stopps, es waren Fahrten von Berlin u.a. nach Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart und sogar bis nach Südtirol). Dass es im Gegenteil viele sehr positive und begeisterte Kommentare gab, brauche ich nicht weiter zu erläutern.
Was habe ich gelernt?
- Es genügt nicht, im eigenen Profil oder in der Beschreibung zur Fahrt etwas zu erläutern (dass man Stopps zur Zwischenladung einlegt, oder dass man keine Raucher im Auto haben will). Manche lesen das und manche nicht. Ich habe mir schnell einen Standardtext zurecht gelegt, den ich in leichten Abwandlungen bei jeder Kontaktaufnahme erst mal geschickt habe.
- Insbesondere die Ladepausen habe ich grundsätzlich möglichst exakt (Häufigkeit, Länge) beschrieben und dabei eher übertrieben. Wer dann immer noch mitfahren wollte, hatte zumindest keinen Grund mehr, während der Fahrt rumzujammern.
- Wenn es zu viele Kompromisse erfordert, jemanden mitzunehmen – einfach lassen. Es findet sich jemand anders.
- Wenn jemand auch nur leicht unglücklich reagiert, weil man in Aussicht stellt, Pausen zu machen – freundlich absagen. Es findet sich jemand anders, und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm.
- Es gibt erstaunliche Hotspots, z.B. Leipzig/Flughafen, Hannover („an der Aral“) und Würzburg. Wenn man solche Punkte anfährt, kann man auch ganz spontan noch jemanden finden, und man kann sich die Mitfahrer aussuchen, die einem am nettesten erscheinen.
- Generell gilt: Nicht zu früh zusagen! Häufig kommen noch in letzter Minute Anfragen rein, die besser zur eigenen Route passen.
- Immer mit Absagen in letzter Minute rechnen. Kann immer mal passieren. Alle Absagen waren freundlich und gut begründet und mit ausreichend Vorlauf, um doch noch Ersatz zu finden. Keiner hat mich „sitzen gelassen“.
- Man kann das Model S mit fünf Personen belegen, was ich einmal tatsächlich gemacht habe, weil die Dynamik im Vorfeld nun mal so war, dass ich plötzlich einen Mitfahrer „zu viel“ hatte. Insgesamt reist man aber optimal mit maximal vier Personen, umso mehr, als sich die Mitfahrer in der Regel ja untereinander auch nicht kennen.
- Ich habe von mehreren gehört, dass sie gezielt ein großes, bequemes Auto gesucht haben, das nur mit maximal vier Leuten belegt ist, und dass sie auch gern bereit waren, dafür etwas mehr zu bezahlen.
Fazit: Sehr empfehlenswert! Man kann leicht anderen entscheidend weiter helfen, ohne selbst allzu viel dafür tun zu müssen. Für viele ist das Erlebnis funktionierender Elektromobilität ein echtes Aha-Erlebnis und eine Erfahrung, die sie (vermutlich) so schnell nicht vergessen werden; man erreicht Personen, die sich sonst gar nicht für Autos, geschweige denn für Elektro-Autos interessieren. Und nicht zuletzt ist es auch ganz nett, für so ein Urlaubswochenende noch ein bisschen Extra-Taschengeld übrig zu haben…