Schadstoffausstoss bei Tempo jenseits 130km/h?

Mal eine Frage an die Experten: ich habe mehrfach gelesen, dass moderen Diesel und Benziner bei Geschwindigkeiten jenseits des festgelegten NEFZ /EPA Zyklus ihren Schadstoffausstoss massiv erhöhen. Kann dazu aber keine seriöse Quelle finden. Stimmt das oder ist das Propaganda. Ich meine hier nicht den Mehrausstoss ausschließlich durch gestiegenen Verbrauch bei hohen Geschwindigkeiten sondern das ‚bewußte‘ abschalten der Abgasreinigung…

Hi !

Eine Quelle muss ich erst suchen - check gleich mal ICCT & Co. Es war aber in den letzten Wochen mehrfach davon die Rede, daß die komplette Abgasreinigung sogar außerhalb der NEFZ-Höchstgeschwindigkeiten - also ab 121 km/h - sogar abgeschaltet wird.

Ich suche mal…

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Auch ZEIT ONLINE hatte schon vor Bekanntwerden des Skandals über starke Differenzen zwischen Labor- und Realwerten berichtet, etwa Ende 2014. Damals berichteten wir über eine ICCT-Studie, in der die Grenzwerte für Stickoxide erheblich überschritten wurden. Schon da vermutete der unabhängige Autoexperte Axel Friedrich, dass die Hersteller im Realbetrieb die Abgasreinigung weitgehend abschalten.

…"

Quelle: zeit.de/wirtschaft/2015-09/v … lation-faq

Ich suche noch nach der ICCT-Studie von 2014

EDIT: Da steht nichts von BAB-Speed - da steht Realbetrieb - das ist noch viel schlimmer !!!

Hier ein Abstrakt der Studie !

theicct.org/sites/default/fi … eet_DE.pdf

:wink:

Aus der Studie:

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Kernergebnisse

Der überwiegende Teil der beobachteten Überschreitungen konnte weder “extremen” noch “untypischen” Fahrsituationen zugeordnet werden. Stattdessen wurden stark erhöhte NOX-Emissionen bei Motorlasten, wie sie auch im Alltagsbetrieb vorkommen (z.B. leichte Steigung), oder auch bei der normalen Regeneration der Abgasnachbereinigungssysteme beobachtet.

…"

Super - vielen Dank!

In der ICCT Studie steht zu diesem ‚abschalten‘ nicht wirklich was drin. Den Zeit Artikel kannte ich und ich frage mich ob es für die Vermutung des ‚Autoexperten‘ noch irgendwelche seriöse Messergebnisse / Untersuchungen gibt?

Hi !

Es ist ja nur das fact sheet der Studie. Ich muß gleich los…hatte noch keine Zeit die Studie selber zu besorgen…

:wink:

Man kann sich das ganz einfach vorstellen:

Die Chemie in einem Verbrennungsmotor ist immer die gleiche. Es verbrennt ein Gemisch aus vergastem Kohlenwasserstoff mit Luftsauerstoff. Die Explosionskraft nutzt der Kolben, um davon einen Teil in Bewegung umzusetzen. Die meiste Energie, die entsteht, ist jedoch Wärme. Langsam gesehen ist die Explosion natürlich nur eine Verbrennung (Oxydation). Wie jede chemische Reaktion läuft auch diese nicht an allen Stellen im Verbrennungsraum vollständig ab (abhängig von diversen Faktoren - weshalb man versucht die Geometrie des Verbrennungsraumes zu optimieren, Doppelzünder einbaut usw.). Es wird aber nie gelingen, das optimale Gemisch aufzubereiten, es optimal vermischt zu haben und an allen Stellen gleichzeitig zu zünden!
Daher entstehen Rückstände (unvollständig verbrannter Kohlenstoff - Kohlenmonoxid, Stickstoffmonoxide (weil ja bedauerlicher Weise unsere Atmosphäre zu 78% Stickstoff enthält und dieser natürlich miteingesagt wird), und verschiedene Kohlenwasserstoffe). Diesen versucht man mithilfe einer Abgasreinigungsanlage Herr zu werden. Man versucht also nachträglich die nicht vollständig verbrannten Teile noch weiter zu oxydieren (Kohlenmonoxid z.B. zu Kohlendioxid, das dann nicht mehr giftig ist).
Nun findet in dem Katalysator durch verschiedene Maßnahmen wieder eine chemische Reaktion statt (bestimmte Temperaturen, bestimmte Mischungsverhältnisse usw.) - Damit der Katalysator dafür genügend Sauerstoff bekommt, regelt die sogenannte Lamda-Sonde die Gemischaufbereitung; d.h. die Verbrennung findet mit einem gewissen Sauerstoffüberschuss statt.

Das größte Problem bei Verbrennungsmotoren ist die entstehende Wärme (das unerwünschte Hauptprodukt!), die man über die Motorkühlung (Luft/Wasser/Öl) abführt. Das klappt im Teillastbetrieb auch ganz gut - nur im Volllastbetrieb eben nicht - da würde jeder Motor, der so mager eingestellt ist, wie ihm die Lampasonde es vorgibt, den Hitzetod sterben.

Um das zu vermeiden, wird jeder Verbrennungsmotor im Lastbetrieb „full rich“ gefahren, was bedeutet, dass mit zusätzlichem Treibstoff, der nicht mehr verbrennen kann, gekühlt wird. Hinzu kommt, dass bei steigender Motordrehzahl die Strömungsgeschwindigkeit des Abgases steigt.

Beides hat nun gravierende Auswirkungen hinsichtlich der Abgasreinigung: Durch die hohe Strömungsgeschwindigkeit besteht für die chemische Reaktion in dem Katalysator weniger Zeit pro Menge zur Verfügung, so dass die Nachverbrennung nicht mehr ganz oder gar nicht mehr funktionieren kann. Als zweites steht ein Abgas bereit, das mit Kohlenwasserstoffen (u.a.) angereichert ist, aber praktisch kein Sauerstoffüberschuss mehr hat. Beides führt dazu, dass keine Abgasreinigung mehr stattfinden kann und der Schadstoffausstoß damit rapide ansteigt.

Dies ließe sich nur durch einen wesentlich größeren Katalysator (größere Oberfläche = langsamere Strömungsgeschwindigkeit) und der zusätzlichen Zufuhr von Sauerstoff und (wie bei Diesefahrzeugen teilweise gemacht) Ammoniak verbessern.

Chemisch und physikalisch geht das gar nicht anders!

Es ist also nicht abhängig von der Geschwindigkeit, sondern von der Motordrehzahl (durchgesetzte Menge Gas) im Verhältnis zur Katalysatoroberfläche. Aber wahrscheinlich wird die von dir angesetzte Geschwindigkeit so ca. die Grenze sein, in der die Verbrenner anfangen, richtig zu verpesten. Großvolumige später als Kleinvolumige.

Ja, das stimmt!
Um zu erklären warum das so ist müsste man weit ausholen und tief in die Materie eindringen. (Ich habe mal vor kurzem in einem längeren Post das etwas angeschnitten)
Grundsätzlich problematisch sind allgemein Diesel bei höherer Last in Sachen Stickoxid weil man zwangsläufig dabei mit weniger bzw. keiner Abgasrückführung arbeiten muss.
Kritisch sind auch aufgeladene Benziner (downsizing) bei hoher Last wobei Lambda kleiner 1 benutzt wird wobei der Ausstoß von Kohlenmonoxid und unverbrannten Kohlenwasserstoffen drastisch ansteigt.
Das ist ist die grundsätzliche Theorie wobei man nicht von bewussten Ab- oder Anschalten der Abgasreinigung sprechen kann, sondern das ist ein fließender Übergang.

Dazu kommt das „bösartige“ tatsächliche quasi Abschalten was wohl gang und gebe bei mehr oder weniger allen Herstellern ist wie der Skandal zeigt. Das wird grundsätzlich einerseits gemacht da niedrige Abgaswerte und niedriger Verbrauch Zielkonflikte sind wo man einen Kompromiss (faulen) findet. Andererseits besteht da das kaum zu durchschauende Gebiet der technischen Tauglichkeit wo man als außenstehender nur Vermutungen anstellen kann.
Verdächtig macht vor allem die Problematik, dass die Rußfilter auch bei Kurzstrecken nicht verstopfen dürfen (Abbrand muss gesichert sein bzw. die Rohgaspartikelemission muss so niedrig sein, dass das nicht passiert). Das andere Ding ist die geringe Dauerhaltbarkeit der NOx Speicherkats (die billigere Methode als mit Harnstoff beim Diesel das NOx im Griff zu haben).

Okay - das habe ich glaube ich halbwegs verstanden. Aber wäre es denn dann nicht eigentlich zwingend, dass in den Tpyprüfungen in Deutschland auch Fahrsituationen jenseits von 120 bzw. 130kmh geprüft würden. Wenn ich mir die Diskussion um die VMAX und Tempolimits auf deutschen Autobahnen ansehe gehört das doch zwingend zusammen. Bislang scheint mir der Ausstoss umwelt- und gesundheitsschädlicher Abgase durch ‚schnelles‘ fahren scheinbar weder vernünftig geprüft noch verlässlich gemessen worden zu sein. Solange aber die Motoren ungeprüfte und erhöhte Mengen an Abgasen bei Geschwindigkeiten jenseits des NEFZ Zyklus ausstossen müsste man doch eigentlich bis zum Nachweis des Gegenteils durch die Hersteller neben der Einhaltung der Grenzwerte (VW!) ein Tempolimit von 120 kmh zwingend vorschreiben!

So gesehen ja. Nur würde man mit der Maßnahme das physikalisch/chemisch Paradoxum des Verbrenners nicht beseitigen. Du würdest mit einem Tempolimit auch die Autos treffen, die durch ihre geringe Drehzahl bei dem Tempo noch relativ sauber sind und im Gegenzug hoch drehende Motoren noch erlauben zu fahren.
Du würdest das Ziel erreichen, wenn du die Motoren (jeweils spezifisch) auf die günstige Drehzahl begrenzen würdest! Denn auch eine Volllast im 1. Gang führt bereits zu dem hohen Schadstoffausstoß!
Hinzu kommt, dass der Schnellverkehr der Autobahnen den geringsten Anteil am Gesamtverkehr ausmacht - im Verhältnis zum viel umfangreicheren Stadtverkehr (der durch die Abgasnachbehandlung nicht per SE sauber ist!).
… Und du trifft mit einem Tempolimit die schnell fahrenden sauberen Teslas! Das wollen wir doch nicht! :open_mouth:

ich bin ein Tempolimitgegner.

Aber wenn ich mich mit den Thesen näher befasse bröckelt ein weiterer Teil meines Wiederstandes. Mir war schon immer klar, daß der Schadstoffausstoß bei 200km/h viel höher sein muß als bei 130km/h, jedoch bin ich stets davon ausgegangen, daß die Abgasreinigung funktioniert, vielleicht nicht in einem Moment der starken Beschleunigung Stichwort Vollastanreicherung, aber ansonsten schon.

Da muß ich drüber nachdenken.

Eins ist aber jetzt schon klar, mein Auto fährt ohne lokale Schadstoffe zu emittieren.

Das geht mir ganz genau so. Beziehungsweise: eigentlich bin ich inzwischen eher für ein Tempolimit. Vor allem aber für Abgasgrenzwerte, die auch den Ausstoß bei 130, 160, 200, …, vmax beschränken.

Meins nicht. :frowning: Und es ist von VW. Wenigstens Saugbenziner…

Einfache Lösung: vmax wird begrenzt wenn Grenzwerte nicht eingehalten werden/abgeschaltet wid.

Gesendet im Stau im Elbtunnel vom Tesla-Screen im Gestank der Verbrenner

Mach bitte ganz schnell Umluft an !!!
Das ist ja nicht zum aushalten :frowning:

Grüße

Mario

Genau so geht es mir. Wir haben eigentlich genug Verbote in diesem Land. Und Einsicht ist besser als erzwungen konformes Verhalten. ABER: angesichts der offensichtlich unzureichenden Prüfungen / Messungen und Freigaben der Verbrenner Fahrzeuge trotz EURO X bin cih mittlererweile auch für ein generelles Tempolimit. Am besten wäre aber tatsächlich eine Technologie die die Motorleistung entsprechend der gesetzlichen Vorgaben technisch begrenzt. Dann können wir volle Pulle fahren (was ich nie mache - dann aber könnte) und die Verbrenner würden ‚eingebremst‘. Schöne Vorstellung - wird leider nie Wirklichkeit werden :imp:

Würde sich fast nebenbei ergeben wenn sie Abgasnorm wirklich überprüft würde und die Motorsteuerung nur Fahrzustände zulassen würde die auch wirklich die Abgasnorm erfüllen. Ich würde nicht von einem Tempolimit sondern einem Emissionslimit sprechen. Und das haben wir ja eigentlich schon. Wenn VW und alle Anderen die auch keine andere Physik haben ihre Verbrenner so steuern müssen die Abgasnorm real in allen Fahrzuständen einzuhalten fährt vielleicht kein Verbrenner mehr schneller als 130 und braucht mindestens 20 Sekunden um da hinzukommen :mrgreen: Hoffentlich stehen uns die Verbrenner dann nicht zu sehr auf der Autobahn im Weg.

Plopp.

NOx entsteht chemiebedingt übrigens auch bei erdgas-, autogas- und H2-motoren. diesbezüglich also kein grund für ein schlechtes gewissen!

Und ich habe vor ein paar Tagen hier vorgeschlagen, daß wir die Tempolimits nach Antriebsart staffeln.

E darf wie es will. Verbrenner eben deutlich weniger.

Ansonsten möchte ich Dir sehr für Deine Ausführungen danken - das ist für mich immens aufschlußreich gewesen und bestätigt mich in meinen Überlegungen.

Toll , daß wir hier solche Leute an Bord haben !

DANKE !!!

:wink: