Mehr E-Mobilität => Engpässe Anschlußleistungen Wohngebiete?

Hallo,
ich habe mich mal mal gefragt, wie hoch die Anschlußleistungen in Ortsnetzen / Wohngebieten sind und inwieweit diese mit Zunahme der E-Mobilität ausreichen, so dass jeder, der möchte, nachts sein EV aufladen kann.

Das erschreckende Ergebnis: es wird da früher oder später erhebliche Engpässe geben (das hatte ich zwar befürchtet, aber nicht in diesem Ausmaß).

Ich habe versucht, möglichst fundierte Werte verfügbare Dauer-Anschlußleistung je Wohneinheit (oder je Einwohner) zu ermitteln, und via Google-Suche im wesentlichen das hier gefunden:

a) Hier werden zwischen 1 und 5 kVA je Haushalt geschätzt.

b) Hier wird auf Folie 17 eine Spannweite von 1 bis 40 kVA je Haus(/Gewerbe?)-Anschluß aufgrund einer Analyse von 87 Niederspannungsnetzen genannt. Der Median liegt zwischen 5 kVA bei großen (630 kVA) und 10 kVA bei kleinen (100 kVA) Trafos. Der Wert Berechnung über Gleichzeitigkeitsgrad liegt jeweils am unteren Ende der Spannweite (im Bereich von 1 bis 5 kVA).

c) Hier beispielhaft Daten eines Versorgungsbereiches, und zwar Stadtwerke Bebra. Den 8687 Einwohnern stehen Ortsnetz-Trafos mit einer Leistung von 15.125 kVA zur Verfügung, also 1,74 kVA je Einwohner. Nimmt man die Kunden-Trafos (in Fabriken, Supermärkten etc.) noch hinzu, beträgt die Trafoleistung 31.460 kVA, also 3,622 kVA je Einwohner.

d) Beispiele für die Berechnung von Netzen mit Berücksichtigung des Gleichzeitigkeitsgrades findet man hier auf den Seiten 37 bis 45. Bis auf den ersten Fall (Seite 37, Siedlungstyp A, Wohnplätze und Streusiedlungen mit 30 kW je Einheit) werden überall 2 bis 2,5 kW Höchstlastanteil je Wohneinheit errechnet.

Dieser Höchstlastanteil (um bei den Werten von d) zu bleiben - die Berechnungen erscheinen mir plausibel) wäre der Engpass, wenn alle ihre EV gleichzeitig laden wollten. D.h. wir hätten - abgesehen vom ländlichen Raum mit Streusiedlungen - gerade mal 2 bis 2,5 kW Dauer-Anschlußleistung je Wohneinheit!

Oder, anders formuliert: wenn auch nur 20 bis 25% aller Wohneinheiten je ein EV mit 11 kW gleichzeitig laden wollten, wäre das Netz schon allein wg. der EVs am Anschlag.
Und ein Laden mit 11 kW über etliche Stunden dürfte wohl angesichts größer werdender Akkus der Normalfall (oder zumindest der übliche Wunsch) werden.

Wie seht ihr das? Können Netzengpässe die Verbreitung der E-Mobilität ernsthaft behindern?

Mittelfristig ist keine ernste Behinderung in Sicht. Mach wenigstens ein Fragezeichen hinter die Titelzeile.

Bei den Betrachtungen zu Last- und Einspeisemanagement zum Laden von E-Fahrzeugen sind viele Fachbeiträge sehr theorielastig. Es wird nicht jeder dritte Nachbar mit leerem Akku zur gleichen Zeit beginnend und nur auf einer (alle auf der gleichen) Phase nuckeln. Und wenn doch, dann sinkt die Spannung nur merklich, wenn alle zugleich die Weihnachtsgans im E-Ofen haben. Ich halte in diesen Sachen Frauenhofer IOSB, das Institut für angewandte Systemtechnik (AST) für recht kompetent und versuche mal, etwas Substanz zu besorgen.

Zudem können ja die Netzbetreiber mal beginnen, das Netz auszubauen. Seit Jahrzehnten wird kassiert - nun muss eben auch einmal investiert werden. 2011 wollte die Bundesnetzagentur die Rendite der Netzbetreiber von 9,3% auf 8,2% senken. Die Berlin Netz GmbH wurde von Vattenfall mit 100 Mio Euro Eigenkapital gegründet und machte 2012 156 Mio und 2013 121 Mio Euro Gewinn, die sie an Vattenfall abführten. Eigenkapitalrenditen von 156% und 121% sind sehr üppig, von der Berlin Netz GmbH nur dadurch optisch geschmälert, dass sie in den Vorjahren Gewinne in Höhe von 560 Mio Euro thesaurierten und damit rechnerisch inzwischen mit 670 Mio Euro Eigenkapital arbeiten. Die Eigenkapitalrendite sinkt damit rechnerisch auf weniger als 25% - aber nur deshalb, weil sie auch in den Vorjahren EK-Renditen von >100% erwirtschafteten. Das Investment für Vattenfall rentiert nach wie vor mit jährlich >100%. Es wäre wirklich tragisch, sänke die Rendite z.B. auf 25%, weil die Berlin Netz GmbH in den Netzausbau investieren müsste.

ja, das Fragezeichen habe ich ergänzt. Ich wäre ja froh, wenn sich meine Bedenken als völlig unbegründet erweisen sollten, bin ja sehr für eine schnelle Elektrifizierung im Transportsektor (bzw. für Nutzung erneuerbarer Energien). Habe aber meine Bedenken, auch wenn ich daran denke, dass mittlerweile in einem Viertel der Neubauten Wärmepumpen die wesentliche Heizquelle sind.

Weiß eigentlich jemand, ob für neue Wohngebiete größere Leistungen an den Trafostationen vorgesehen sind als noch vor Jahren / Jahrzehnten?

Ich weiß, dass am neu auf dem Feld errichteten Flughafen BER an der ebenfalls neu auf dem Feld errichteten Tankstelle nur ein statt zwei geplante Schnelllader errichtet wurden, weil die Netzanbindung mehr nicht zuließ. Vattenfall hatte den zweiten Lader sogar schon bestellt und Total beim Bau die Zuleitung zum zweiten Lader schon gelegt, als sich herausstellte, dass es gar nicht klappen kann.

Wenn es wirklich mal irgendwann so sein sollte, dass es so viele EVs gibt, dann gibt es auch intelligente Ladestationen mit einer lastabhängigen Regelung.

Man kann auch einfach andersherum an die Sache herangehen:

Durchschnittlich muss für ein EV 50km Reichweite in der Nacht nachgeladen werden. Das wären 10 - 15 kWh innerhalb von ca. 10 Stunden. Das sollte auch bei 100% EVs machbar sein :wink:

Ob Neubaugebiete inzwischen größere Trafos erhalten, weiß ich nicht. Bilanziell geben Neubaugebiete in Süddeutschland mehr Strom ab, als sie verbrauchen. :bulb:
Daraus ist aber keine Aussage ableitbar, ob es zu Engpässen kommen kann. Ausgangspunkt sollte sein
„um 18h kommen alle heim und stöpseln ihre ZOE in die 43kW Dose.“ :astonished:

Intelligentes Lastmanagement muss her, aber wo soll das ansetzen?
Betrachtung für den Fall: Der Flaschenhals ist der Ortsnetz-Trafo.

Regelbare Wallboxen
Über ein Steuersignal regeln die Wallboxen die an das E-Auto abgegebene Ladeleistung so, dass der Ortsnetz-Trafo nicht überlastet wird.

PV-Speicher
Die PV-Energiespeicher hängen im Hausnetz, weil der Speicher dort Wertschöpfung aus dem Preishub zwischen Strombezug/Verbrauch und Einspeisen/Eigenverbauch zieht. E-Technisch und gesamtwirtschaftlich wäre ein Lastmanagement im Teilnetz hinter dem Ortsnetz-Trafo sinnvoll.
Man müsste also Geld bekommen, wenn man durch Einspeisung von PV- oder Pufferstrom ins Ortsnetz einen Engpass ausgleichen hilft.

Beides erfordert eine Lastermittlung am Ortsnetz-Trafo, aus der entsprechende Preis- oder Steuersignale generiert und verteilt werden.

Welches Fraunhofer-Institut forscht an so was?

Ich denke auch das man das nicht pauschalisieren kann, sondern jedes Ortsnetz individuell betrachtet werden muß,
es gibt einfach zu viele Unterschiede
Wohngebiet <=> Mischgebiet
Eigenheim <=> Mehrfamilienhäuser <=> Trabantenstadt / Platte
Enstehungszeit des Gebietes, Philosophie des damaligen Erstellers
Anteil lokaler Einspeisung (PV-Anlagen, KWK-Anlagen)
Nachtspeicherheizungen?

Mal zur grauen Theorie …

Ganz einfache Lösung währe den Strom Nachts wieder zum vernünftigen Preis anzubieten und schon laden alle nach 22.00 Uhr
wo eh Strom im überfluß vorhanden ist.

Fraunhofer IOSB in Ilmenau - Institutsteil Angewandte Systemtechnik (AST), Dr. Michael Agsten, Telefon 03677 461-1520

Ich habe selbst eine steuerbare Ladestation mit allem was seitens Netzanbieter derzeit techn. beschaffbar ist errichtet. Ein Dutzend Andere machen auch mit. Es sind aber trotzdem noch zu wenig Fahrzeuge im Umfeld vorhanden, um brauchbare Versuchsergebnisse zu erlangen. Der Stromlieferant schaltet zu vorgegebenen Zeiten meist gegen Abend den Tarif um. Das bedeutet bei dann manuellem Starten von „sofort Laden“ nur einen höheren Strompreis. Innerhalb RWE ist der Druck von oben offensichtlich, mit Autostrom mehr Ertrag einzuspielen. Netz- und Phasenlasten sind dabei noch nebensächlich. Und das motiviert uns, auf eigenerzeugten Solarstrom zu setzen.

Du meinst den Deutschen PV Strom? :unamused:
Der sollte natürlich tagsüber geladen werden meiner Meinung nach…

In CH geht’s wunderbar nachts (Wasserkraft).

Mit einem richtigen Smart-Grid und 3 oder besser 5 Preisstufen wäre sehr viel zu machen.
Leider wird der Ansatz von der Politik nicht mehr verfolgt.
Die Telekom hat die entsprechende Abteilung eben erst aufgelöst.
Bei 5 Stufen,
richtig teuer - Stromknappheit
teuer - zuviel Nachfrage
normal
billig - zu wenig Nachfrage
fast geschenkt- Stromüberschuss
würden sich Techniken zum ein- und ausschalten von Verbrauchern, Speicher usw. rechnen.
Das Stromnetz würde deutlich entlastet.
Eine Gefrierschrank, Gefrierlager oder die WP muss meist nicht in den teuren Phasen laufen und können riesige Mengen an Energie in billig Phasen als Kälte oder Wärme speichern.
E-Car können in der 1. Phase bei billig Strom geladen werden und später auch bei Strommangel ins Netz einspeisen.

Die Lobbyisten wollen das nicht, es fallen Kraftwerke weg, es fällt ein Teil des Leitungsausbau weg, damit fallen die noch Gewinn machenden Bereiche weg.
Wenn die keinen Gewinn mehr machen, wo sollen den dann die Politiker ihre 2. Laufbahn machen?

Vielleicht ist das Ganze auch nur nicht so einfach wie der ein oder andere es sich vorstellt…
Unseren lokalen Versorger sind die Kraftwerke jedenfalls egal, der hat letztes Jahre ALLE (einschließlich Pumpspeicherkraftwerk) zur Außerbetriebnahme angemeldet.

Das Lastmanagement durch einen variablen Strompreis geregelt werden kann, ist meiner Ansicht so offensichtlich. Umso mehr wundert es mich, daß es überhaupt nicht thematisiert wird.
Also entweder gibt es kein Problem oder mit anderen Lösungen wird mehr Geld verdient.
Aber warum gibt es keine kleinen Anbieter ohne Interessenkonflikt, die sowas anbieten? Das würde IMHO eher dafür sprechen, daß es kein Problem gibt…

Dafür müsste aber derjenige der das Lastmanagement des Netzes macht auch die Preise machen,
aber gerade das hat man ja getrennt,
darum will ja unser Regionaler Versorger seine Kraftwerke abschalten, nicht weil der Strom nicht benötigt wird, sondern weil billiger Strom bei andern Versorgern gekauft wird, der physikalisch gar nicht ins Netz eingespeist werden kann und er deshalb nicht den benötigten Strom für Marktpreise (den Preis den er zur Erzeugung benötigt) verkaufen kann.

Wie bei Tag/Nachtstromkann man die Preistufen entsprechend festlegen. Der VNB schaltet zwischen den Stufen und derStromanbieter legt die preise für die Stufen fest.

Der zeitabhängige Strompreis setzt auf der Abnahmeseite mindestens einen HT-/NT-Zähler voraus, den längst nicht jeder Haushalt besitzt. Von Smartmetern ganz zu schweigen. Bis die sich im Bestand durchgesetzt haben, vergehen Jahrzehnte (siehe Wärmedämmung, das dauert auch ewig). Die meisten Haushalte haben noch Jahre / Jahrzehnte die einfachen Ferraris-Zähler.

Aber selbst wenn wir intelligente Stromzähler hätten (sehe ich im privaten Bereich wg. data privacy kritisch, aber das ist ein andere Thema) und für den Strom spät nachts weniger zahlen müssten als tagsüber Mittags (= Spitzenlastzeit im Sommer) bzw. am späten Nachmittag / frühen Abend (= Spitzenlastzeit im Winter), stellt sich die Frage: wären die Preissignale wirklich ausreichend, um das Laden im großen Stil in verbrauchsarme Zeiten zu verlagern?

Nehmen wir an, irgendwann in den 2020er Jahren kostet uns Strom an einem Wintertag zwischen 17 und 19 Uhr 0,40 € / kWh, in der 2. Nachthälfte 0,15 € / kWh. Um 17 Uhr komme ich nach Hause, weiß noch nicht, ob ich Abends wegfahren oder zu Hause bleiben möchte. Ich jedenfalls würde bei leerem Akku laden, um wegfahren zu KÖNNEN, auch wenn ich es mir dann doch anders überlege.

D.h. ich habe 2 Stunden später bei 11 kW ca. 20 kWh geladen. Ein Aufpreis von 20 kWh * 0,25 € / kWh = 5 € gegenüber dem Laden spät in der Nacht. Den würde ich bezahlen, schließlich möchte ich nicht auf die Möglichkeit der Nutzung meines teuren EV verzichten. Nur wenn ich garantiert nicht wegfahren wollte, wäre ich bereit, spät nachts zu laden und damit die Preisdifferenz zu nutzen. Ich vermute, viele sehen das ähnlich.

Hinzu kommt, dass die Preise ganz anders sein können als in meinem Beispiel: wenn am Nachmittag / Abends der Wind stark bläst und in der Nacht abflaut, sieht es mit den Strompreisen unter Umständen ganz anders aus. Die können genau dann relativ niedrig sein, wenn viele nach Hause kommen.

Da PV+Speicher während trüber Winterwochen auch keine Lösung sind, bleibt meiner Meinung nach nur:

Von der Politik müssen EV-freundliche Regelungen bzgl. des Ausbaus der Ortsnetze gefordert werden. Und zwar so, dass die Netzbetreiber sowohl in neu zu bauenden Wohngebieten als auch bei der Erneuerung bestehender Ortsnetze insgesamt höhere Anschlussleistungen bei den Ortsnetzstationen (Trafos) bzw. den Leitungen vorsehen müssen.

Klar, in den nächsten 5 bis 10 Jahren ist das wohl noch kein wirkliches Problem, aber langfristig sehe ich da Handlungsbedarf.

Ich bin mir nicht sicher, ob dieses ganze Smart-Metering nicht wieder die Lösung ist, die zu perfekt ist um jemals umgesetzt zu werden. Reicht es denn nicht aus, wenn ich ein Meßgerät habe, dass mein Verbrauchsprofil aufzeichnet und es einmal im Jahr ausgelesen wird? Den aktuellen Preis holt man sich übers Internet und schaltet entweder manuell die Waschmaschine ein, lädt sein Auto etc oder man bastelt sich halt was…
Das fänd ich eine Superlösung und das ganze Privacyproblem hätte sich auch ziemlich erledigt, da es ja alles nur Daten aus der Vergangenheit sind und keine Live-Überwachung möglich ist.

Der 2 Tarif Zähler oder auch ein multi Tarif Zähler ( Smartmeter ) währe nicht das Problem, würden mit dem Doppeltarif Zähler
nicht gleich auch (annähernd) doppelte Grundgebühr verlangt, hätte ich schon längst einen eingebaut.

Aber die Preisunterschied zwischen HT/NT ist so minimal, das sich das nicht lohnt.

Meine Hoffnungen liegen wiedermal bei Tesla / Gigafactory und PV Speicherbatterien zum günstigen Preis.

ads-tec bietet jezt schon einen 100 kWh Speicher in der Größe eines doppelten Server Schrankes an …
[url]http://www.ads-tec.de/energy-storage/industrial-infrastructure.html[/url]

Der Preis ist aber indiskutabel …

@just_cruise:

Ich sehe das für mich anders für die Ladezeit Abends (Mo-Fr):

Ich komme meist um 1915 Uhr nach Hause, danach fahre ich oft nicht mehr weg und wenn, dann eher selten mehr wie 50km ein Weg = 100km (meist aber viel weniger).
Kein Grund im teuren Tarif zu laden, sondern zum Schweizer Nachttarif, welcher Mo-Fr ab 2000 Uhr beginnt.
Meist wird die Akkurestkapazität nicht unter 100km sein. Und falls doch, dann lade ich halt ausnahmsweise im Hochtarif.

Eigentlich wünsche ich mir auch je länger eine Anzeige im Haus, wo ich den aktuellen Verbrauch sehen kann. Damit würde man sicherlich einerseits sensibilisiert werden um gewisse Verbraucher auszuschalten und/oder weiter zu optimieren, andererseits „defekte“ oder falsch eingestellte Verbraucher zu erkennen (z.Bsp. Wärmepumpe).

Dass natürlich eine Umstellung für generell alle Haushalte ewig dauert ist natürlich klar. Aber irgendwo muss man ja anfangen, ist ja auch der Fall.