Verkehrte Welt - eine kleine Satire

Nun hat es mich auch erwischt - 3 Wochen vor Liefertermin meines Elektro-Autos, das Schreiben der AMAG, dass ich den Schummelmotor in meinem VW updaten müsste.
Das hat mein „Fass zum Überlaufen gebracht“ und ich musste den Gedanken einfach mit Euch teilen:

Eine satirische Betrachtung unserer Mobilitäts-Welt.

Stell Dir vor…

im Jahre 2017 ist Klimaerwärmung ein Fremdwort, da die überwiegende Anzahl aller Autos elektrisch fährt. Den Automobilsektor wollen nun ein paar Querdenker mit Ihren vor etwa 13 Jahren gegründeten Firmen revolutionieren. Und zwar mit einem neuen, alternativen Antriebskonzept, dem Verbrennungsmotor. Dafür haben Sie Ihren Firmen wohlklingenden Namen wie BMW, VW, Mercedes und Audi gegeben und sich zum Ziel gesetzt, den Markt zu übernehmen.

Das Potential ist gigantisch

Etwa 50 Millionen Fahrzeuge alleine in Deutschland, etwa 6 Millionen in der Schweiz. Und es gibt ja noch andere Länder, andere Kontinente. Dazu noch die LKWs und Busse, Müllautos und Lieferwagen. Die Firmen Tesla und Faraday Future sind seit über 130 Jahren im Geschäft und dominieren den Markt der Elektrofahrzeuge. Bei den Nutzfahrzeugen sind es Marken wie e-Force, ceekon und StreetScooter, die man täglich auf den Strassen sieht. Natürlich gibt es noch ein paar andere Anbieter wie BYD oder Beijing die im Markt mitspielen, aber eigentlich egal welches Logo am Auto klebt, vor allem konstruktiv sind die Personenkraftwagen im Grunde alle gleich: Batterie unten im Chassis, elektrische Motoren an einer oder beiden Achsen, Kofferraum vorne und hinten, ein Haufen Assistenz-Funktionen, die das Fahren unterstützen und über regelmäßige Updates immer besser werden. Telefon und Navis hat sowieso jeder, ein rollendes Smartphone, immer online und verbunden mit der Welt: Entertainment-Funktionen im Auto, wie wir es im Wohnzimmer so kennen. Damit für die Hersteller weder innen noch außen irgendwie nix, wo man sich groß differenzieren könnte, zumal auch die Kundenmeinung ziemlich direkt in die Produktentwicklung einfließt, so bleibt der Einfluss der Produktmanager auf gesundem Niveau.

Kurz- Mittel- oder Langstrecke?

Die Reichweiten der verbreiteten E-Autos liegen so zwischen 80 km und 500 km, je nach Akku. Die meisten Besitzer laden ihr Auto zu Hause, aber es gibt eine Unmenge an Ladepunkten bei Supermärkten, Hotels, Parkhäusern, den Arbeitgebern, an jeder Laterne. Eigentlich überall wo man sein Auto mal abstellen muss. Im Grunde fährt man eh immer vollgeladen und wohltemperiert los, warum auch nicht, Strom aus der Steckdose -ergo Solarzelle - kostet fast nix und ist ja auch fast überall kostenfrei verfügbar. Die Stromnetzbetreiber sind dankbar für all die Pufferkapazität, wo doch die Stromerzeugung praktisch ausschließlich regenerativ, aber eben dafür unstetig erfolgt. So ist die Karre irgendwie irgendwo sowieso immer eingestöpselt. Man bekommt ja seit einigen Jahren auch Geld dafür, seinen Puffer zur Verfügung zu stellen. Meistens deckt das dann die Parkkosten und den Strom für die Heimfahrt. Die paar Ladezyklen mehr auf dem Akku machen den Kohl nicht fett, wenn man etwa 1.2 Millionen Kilometer Lebensdauer auf dem Akku hat.

Die Reichweite der gängigsten Elektroautos von etwas über 2ookm reicht allemal: Die Fahrten zum Bäcker, der regelmäßige Pendel-Weg zur Arbeit und die Ausflüge zu Oma und Freunden und Freizeitspaß am Wochenende sind ja eh nur Kurz- oder Mittelstrecke.

Für die 3-Mal Langstrecke im Jahr wird es natürlich knapp, aber für diese wenigen Fahrten im Jahr stehen an strategisch günstigen Punkten der Autobahnen die Schnelladestationen. Immer in der Nähe von Shopping-, Spass- und Futter-Krippen. So sind, bis der Akku nach 3-5h Fahrt leer ist, die 20-40 Minuten Aufenthalt bei freiem WLAN schnell überbrückt und es kann entspannt, erholt und aufgeladen weitergehen. Ladeweile: Fehlanzeige.

Das Pareto-Prinzip jetzt neu auch beim Autokauf

Es hat sich herumgesprochen, dass man bei der Kaufentscheidung idealerweise sein Auto für die 80 oder 90% der Anwendungsfälle auslegt und für die restlichen 10%-20% einen Kompress eingeht. Anstatt für 90% einen Kompromiss einzugehen und dafür auch die restlichen 10% abzudecken. Wer würde das schon machen, bei der Summe, die Herr und Frau Müller, Meier, Schmitz üblicherweise für ein Auto ausgeben

Was den meisten entgangen ist…

So ist den allermeisten Müllern, Meiern und Schmitz entgangen, dass vor nun bald 14 Jahren die oben genannten Unternehmen gegründet wurden, die sich zum Ziel gesetzt haben, den Internen Verbrennungsmotor (Internal Combustion Engine, kurz ICE) als Antriebseinheit für Fahrzeuge aller Art zu verbauen.

Das muss man sich mal vorstellen: So ein Motor ist ein wirklich komplexes, mechanisches Gebilde, mit dem man die ungeheure Explosionsenergie des Treibstoffs in Bewegungsenergie umsetzen kann. Und das Ding ist auch noch schwer! Im Grunde genauso schwer wie die Akkus in den e-Autos, wenn man mal alle notwendigen Aggregate hinzurechnet. Wahnsinn, wenn man sich vor Augen führt, welche Ingenieursleistung da in nur wenigen Jahren vollbracht wurde: Die mechanische Grundidee der Kolben-Dampfmaschine wie Sie seit Hunderten von Jahren bekannt ist, bis zu einem Wirkungsgrad von etwa 20-40% - je nach Temperatur und Anwendungsfall – weiterzuentwickeln. Und ein paar Prozent sind noch drin, sagen die Herren Ingenieure, bis die Gesetze der Thermodynamik den Wirkungsgrad bei etwa 54% limitieren.

Ein Wunderwerk der Technik

Ein solcher Motor verfügt über Hochdruck-Treibstoff-Einspritz-Vorrichtungen, am Computer strömungsoptimiert designte Einlasskanäle für die optimale Verwirbelung des Gases. Ein Mikroprozessor steuert die elektrischen Zündung um den auf Nanosekunden richtigen Zeitpunkt der Zündung zu treffen. Verschiedene Sensoren überwachen die explosionsartigen Verbrennungen, die schlussendlich den aus hochfestem Stahl geschmiedeten Kolben nach unten schleudern um ihn dann durch Pleuel und Kurbelwelle umgelenkt umgehend wieder nach oben schnellen zu lassen – bereit für den nächsten Arbeitstakt, wobei nur einer von vieren wirklich «Arbeit» leistet. Ach ja und aus der translatorischen Bewegung machen wir dann noch eine rotative, die über mehrstufige, schrägverzahnte Getriebe – zu denen kommen wir noch später - dann auch mal als Kraft an den Rädern anliegt. Am besten natürlich Vibrationsarm was mit obenliegenden Nockenwellen, Ausgleichswellen, Vielzylindermotoren und allerlei dynamischen Massenausgleichen mehr oder weniger gut gelingt. Angelassen wird dieses Wunderwerk der Mechanik und Hydraulik übrigens mit einem Elektromotor. Mit der Kurbel vorne zum Drehen waren auch die hartgesottensten Freunde der Benzinrösser nicht zu überzeug, des fulminanten Motorensounds wegen umzusteigen. Seit einigen Jahren gibt es also nur noch die elektrischen Anlasser. Das wir genau diesen Elektromotor des elektrischen Anlassers, seit über hundert Jahren ausentwickelt, zum Fahren verwenden ist dabei schon fast ironisch.

Turbo oder Kompressor

Ausentwickelt? Beim Verbrenner ist da noch Einiges in der Entwicklung, die ganze Geschichte mit der Turbo- oder Kompressor-Aufladung, da kommt noch was. Übrigens, die Sache mit der «Aufladung» soll die Leistung der Motoren in die Nähe der Elektrischen bringen, schon fast frech, dafür sogar den Begriff zu klauen. Oder schauen wir uns die Entwicklungen im Bereich der Abgas Rückführung oder der katalytischen Abgasreinigung an: Ziel ist natürlich, diese Abgase etwas aufzureinigen. Die Details dazu (und die zum Treibstoff-Verbrauch) kann man ja ehrlich und sachlich richtig von den Marketingabteilungen dargestellt, in den Hochglanzbroschüren nachlesen. Wirklich beeindruckend, wie man so ein Vehikel mit all dem Aufwand in etwa in die Leistungsregion der Oma-Opa-Stadt-E-Autos bringt. Verständlicherweise braucht es da einiges an Überzeugungsarbeit der gut geschulten Verkäufer und teuren Marketingabteilungen, um uns die Vorteile des Verbrenners aufzuzeigen.

Hand- oder Automat

Der Fahrer kann neuerdings wählen: selber schalten mit einem Gangknüppel in der Mitte zwischen den Sitzen wo sonst immer viel Platz für Ablagen, die Getränkehalter und Armlehnen ist, oder ein Automatikgetriebe. Manuell soll angeblich mehr Spass machen. Nun ja. Der Automat aber kommt schon ganz gut an den gewohnten Fahrkomfort der e-Autos ran, ruckelt manchmal noch etwas mehr, ist auch etwas schwerer und verbraucht etwas mehr, aber ist nicht zu ändern: Jeder Geschwindigkeitsbereich hat so seinen eigenen Gang - geht halt nicht anders, bei dem engen Drehzahlbereich, in dem der Motor überhaupt funktioniert. Der dauernd laufende Verbrenner muss auch für Ampelstops, Rückwärtsfahrten und so weiter via Kupplung zwischen den Gängen vom Antriebsstrang entkoppelt werden Das ist auch bei den ganz teuren Modellen so, und die haben Getriebekonstruktionen, die könnten es von der Komplexität her mit einem Schweizer Uhrwerk aufnehmen. Ist halt so, man kann den Motor ja nicht dauern «an-und-aus» machen, schon gar nicht wenn er kalt ist, geschweige denn in die andere Richtung drehen lassen, geht massiv auf die Lebensdauer oder eben gar nicht.

Eine Reihe Zulieferer sind übrigens auch auf die Idee aufgesprungen den Verbrennungsmotor zu favorisieren, warum auch nicht, mit so komplexer Technik gibt es Unmengen an Diversifizierungsmöglichkeiten, Alleinstellungsmerkmalen und Markenbildungsbereichen. Simple Elektroautos bauen, das kann ja wirklich jeder, aber sowas kompliziertes- das macht uns so schnell keiner nach. Toll!

Da kann man viel Geld verdienen!

Und ausgeben: Slogans müssen erfunden werden (Vorsprung durch Technik liegt da einfach auf der Hand) und Marken entwickelt werden. Das letzte Re-Branding einer bekannten Fast-Food-Kette hat übrigens genauso viel gekostet, wie der Aufbau des seit Jahrzehnten in Deutschland existierenden Super-Charger-Netzwerkes vom Platzhirsch Tesla. Die Existenz der Ladestationen jedoch löste ein Henne- und Ei Problem aus den Anfängen der Elektromobilität, so um 1930 rum, die Frage nach Reichweite oder Schnelladestationen. Beim Fast-Food hat den Unterschied übrigens keiner gemerkt.

Tesla hat sich die Sache mit der Werbung, dem Branding und den Broschüren in den letzten 100 Jahren übrigens einfach gespart. Die waren halt die ersten und hatten das einfach nicht nötig, sich von den anderen Abzugrenzen. Ein gutes Produkt verkauft sich einfach von alleine – alte Marketingweisheit.

In die Rabattschlachten, die in den letzten Jahren mit den neuen Playern am Markt aufkommen, ist Tesla auch nie eingestiegen. Warum auch, wenn man Hersteller und gleichzeitig Verkäufer ist – alle Preise in allen Ländern gleich, dann gibt es auch kein Re-Import-Theater und keiner geht nach dem Kauf mit dem schlechten Gefühl aus dem Laden heraus, irgendwie nicht gut genug verhandelt zu haben. Liegt ja auch nicht jedem.

Die Details der Markenstrategie der Newcomer Mercedes, Audi, BMW, VW und wie sie alle heissen, kann der geneigte Leser in den mannigfaltig verfügbaren Imagebroschüren sachrichtig und ehrlich formuliert nachlesen. Die Händlerstützpunkte, die mit Ihren riesigen Werkstatthallen, den Zweigniederlassungen die mit Ihren Glaspalästen aktuell wie Pilze aus dem Boden schiessen, bieten überall Gelegenheit, sich entweder im persönlichen, kompetenten Verkaufsgespräch oder in Form von Katalogen und Broschüren mit Informationen einzudecken. Aber es ist ja auch ein grosser Kuchen zu verteilen: Erst die Herstellung mit all ihren Zulieferketten, dann der Verkauf der Fahrzeuge, die ganze Wartung der komplexen Bauteile und zum Glück müssen noch allerhand Verschleissteile und Betriebsflüssigkeiten von Getriebe bis Motoren-Öl ausgewechselt werden, natürlich auch wenn man das Fahrzeug nicht benutzt. Sogar die Bremsen muss man 2 bis 3 mal häufiger tauschen, die fehlende Rekuperation macht sich bemerkbar.

Sportauspuff und Soundklappen im verchromtes Endrohr gegen Aufpreis

Dann erst der ganze Zubehör- und Tuning-Markt, den man entwickeln kann. Es gibt tatsächlich Strategen, die daran glauben, dass die Menschen bereit sind extra Geld für mehr Lärm beim Autofahren auszugeben. Es werden ganze Abteilungen angedacht, die damit beschäftigt werden sollen, das Sounddesign des Abgastraktes zu entwickeln – sogar elektrisch verstellbare Klappen im Auspuffrohr werden angedacht um dem – vor allem männliche Kunden – bei der Pizzeria vorbeifahrt die gebührende Aufmerksamkeit – oder sollen wir lieber sagen Mitleid für diese Fehlinvestition zukommen zu lassen. Kann sich heute einfach keiner vorstellen, dass man das eh schon komplexe Gebilde des Verbrennungsmotors noch verkomplizieren möchte. Ist doch schon kompliziert genug so ein mechanisches Wunderwerk am Laufen zu halten. Aber wir werden sehen.

Benzin und Diesel Tankstellen

Apropos Laufenlassen. Womit läuft denn dieser neuartige Verbrennungsmotor nun? Diesel und Benzin, beides Ableger vom Erdöl und bislang nur in Apotheken für Spezialanwendungen, Campingkocher, Tischgrill und Reinigungsanwendungen zu haben. Wenn sich der Verbrennungsmotor in den Autos tatsächlich verbreiten sollte muss man erstmal überlegen, wo das ganze Erdöl herkommen soll. Bisher scheinen die Ölfelder in entweder arktischen oder krisengeschüttelten Regionen zu liegen, die gerne von wenig demokratischen Regierungen verwaltet werden. Nicht das es da mal zu Kriegen kommt, wenn die Sache mit dem Ölverbrauch so richtig in Schwung kommen sollte und die einfach erreichbaren Lagerstätten erschöpft sind.

Von der aufwändigen, unfassbar teuren Förderung über die weltweite Distribution des Rohöls via Tanker über die Weltmeere – was, wenn davon einer havariert – nicht auszudenken! Dann die chemische Aufbereitung in riesigen Raffinerien, die Tankanlagen für die Halbprodukte und schlussendlich braucht es dann ein ganzes Netz von Treibstof- Verteilstationen, dezentral, Tankstellen sollen Sie heissen – ein Mamut Projekt. Kein Wunder planen die Hersteller aktuell mit bis zu 1000 km Reichweite, da es so aufwändig ist, die Tank-Infrastruktur aufzubauen. Und ein Glück geben die Hersteller nur den Verbrauch auf 100 km an – den Energieaufwand der Rohölförderung bis die 50l Benzin im Tank sind, kann ja keiner kalkulieren.

Wie kommt der Sprit nochmal in den Tank? Den ganzen hochgiftigen, dazu noch leicht brennbaren und wenn’s blöd läuft auch noch explosiven Treibstoff in grossen Tankwagen von der Raffinerie über Zwischenlager bis zu den Tankstellen zu transportieren ist nicht nur gefährlich, sondern auch teuer. Wahnsinn, wenn man sich überlegt, was für ein Aufwand, bis die gewünschte Portion von dem Zeug im Tank des Fahrzeuges landen. Als letztens mal wieder so eine dem 100 l Benzintank vergleichbare Fliegerbombe aus dem 2. Weltkrieg gefunden wurde, musste die ganze Stadt evakuiert werden. Wer fährt schon gerne mit einer 100 l Brandbombe herum. Stell Dir einen Unfall vor, bei dem Treibstoff ausläuft – nicht auszudenken, die Umweltverschmutzung und die Brandgefahr. Wahrscheinlich werden solche Verbrenner für die Städte gar nicht erst zugelassen. Viel zu gefährlich.

Die Probefahrt

Ich wollte es wissen…

Bei allem Argwohn gegenüber dem Neuen und seinen Nachteilen, siehe oben, seit einigen Jahren liest man ja immer wieder von den Weiterentwicklungen der Verbrenner und Sinn oder Unsinn – ich wollte es mal ausprobieren, am eigenen Leib erfahren, wie sich so ein Verbrenner fährt. 6 Zylinder. Turbo-Diesel. Direkteinspritzung, Harnstoff-Abgasreinigung, Katalysator, 7-Gang-Direkt-Schalt-Getriebe Automatik, das ganze Programm. Einmal alles, bitte. Ich wollte sehen, was die Herren Ingenieure in den letzten Jahren auf die Beine gestellt haben, erleben wie das neue Gefühl der Sportlich- aber auch Männlichkeit sich fährt. Downgesized – es hätte den Motor auch noch in 8 oder sogar bis 12 Zylindern gegeben. Braucht aber wirklich keiner.

Rein in den Glaspalast, Überzeugungsarbeit geleistet das man sich so ein Ding auch leisten kann und das High-End Modell zum Probefahren reserviert.

Schlüssel in der Hand auf das hochglanzpolierte, schwarze Geschoss losgegangen – und gegen die Tür gelaufen. Öffnen die echt nicht von alleine? OK. Griff steht ja eh über, kann man ja nicht übersehen, ziehen, reinsetzen, Tür schliessen, durchatmen. Zwei Pedale, Lenkrad, bis auf den störenden Kram in der Mittelkonsole die sich bis hinten durchs Auto zieht, alles wie gewohnt. Nur das Display ist kleiner. Und alles voller Knöpfe. Egal. – Fahrstufe einlegen und los. Nix. Was jetzt? Richtig, der Verkäufer hat was von «anlassen nicht vergessen» gesagt. Also Schlüssel ins Schloss, rumjackeln, drehen – oh Schreck – hab ich was kaputt gemacht? Das Ding vibriert und röhrt. Wenn das mal gut geht. Aber auch das hat der Verkäufer gesagt: Sportauspuff. Mehr Sound und 3 PS mehr Leistung. Super.

Los geht’s!

Also Gang rein und aufs rechte Pedal, das «Gaspedal». Huch – erstmal nix und dann Beschleunigung. Irgendwie als wenn man in Teig tritt. Alles verzögert und die Beschleunigung nicht linear. Und alles in allem etwas müde vom Antritt aber wir wollen ja keine Rennen fahren, sondern vor allem zur Arbeit kommen, in diesem Fall langsam vom Hof rollen. Die Automatik schaltet merklich, aber nicht nervig, nur der Klang verändert sich dauernd, gewöhnungsbedürftig das dauernde Auf- und Abschwellen des Brummens bis Schreien im ganzen Auto. Vor allem auf der Autobahn: Reisegeschwindigkeit ist wirklich angenehm, wenn zum Spurt angesetzt wird: Erst nix, dann Geruckel, dann Lärm, dann Vortrieb. Das sind wir elektrisch natürlich verzögerungsfrei gewohnt. Und vor allem: «Erst warmfahren» klingt es mir noch in den Ohren vom Verkäufer, das Ding muss erst auf Temperatur kommen, geht aber schnell, nach 10, 15 Minuten ist so viel Abwärme beim Motor angefallen das alles heiss ist und die aktive Kühlung alle Hände voll zu tun hat, die verschiedenen Aggregate in Ihren Betriebstemperaturen zu halten:

Das Öl um die 90°, das Wasser nicht über 100°, der Kat von 250-900°. Dafür braucht man nur kleine elektrische Heizungen um den Innenraum zu wärmen, bei all der Abwärme, und dann noch keine Rekuperation. Schade vor allem, wenn man eh schon so einen schlechten Wirkungsgrad hat.

Die Fahrt verläuft unspektakulär, das ganze scheint wirklich ausgereift, trotz aller Komplexität des Gesamtsystems. Handling ist gut, da macht man den Neuen Herstellern nix vor, Sound und Beschleunigungsverhalten gewöhnungsbedürftig, aber gut, dafür stimmen die Spaltmasse.

Einmal volltanken

Einmal tanken wollte ich auch ausprobieren – wenn, dann das ganze Programm, um zu sehen, wie das im Alltag so läuft. Ist schon etwas nervig immer extra irgendwo hinzufahren um die giftige Flüssigkeit umzufüllen, zu Hause darf man die praktisch nicht lagern. Zu gefährlich. Klar.

Die Tankstellen an sich sind bisher recht trostlose Orte, versiegelter Boden wegen der Umweltverschmutzung, Tanksäulen mit verschiedensten Sorten, tanken an sich ist aber auch schon bei diesen ersten Prototypen der Tankstellen simpel: Den Rüssel in den Tankstutzen – Absaugung geht automatisch an, Sprit rein, 2 Minuten später Tank voll, Zahlen. WAS? 150EUR? Echt jetzt? Wobei Strom fast überall umsonst ist? Na wird sicher noch günstiger, wenn mal alles auf fossil umgestellt ist. Nun gut, weiter geht die Fahrt.

Zurück beim Händler kurzes Gespräch das im Preis, der noch beliebig zu verhandeln sei, sogar die teure Wartung für 3 Jahre dann drin ist und Garantie für einige Teile, wobei das ehrlichgesagt später dann schwierig wird ein Herstellungsfehler nachzuweisen. Meistens gehen die Dinger einfach durch Fehlbedienung kaputt, ist aber auch zickig so ein Verbrenner.

Das Interview

Gespräch mit dem Werkstattleiter

Den Teil will ich näher erfahren und lasse mir den Werkstattleiter kommen. Er, Mitte 40, Quereinsteiger, sympathisch, steigt gleich voll ins Thema ein und zeigt mir sogar ein Diagramm aus seinem letzten Lehrgang zum Mechatroniker-Meister. «Messpunkte der Gastemperatur bei modernen Verbrennungsmotoren» «Kann man im Google nachschlagen», sagt er.

Wie er denn auf Mechatroniker gekommen sei, frage ich ihn. «nach 20 Jahren in der IT wollte ich einfach mal was handfestes, handwerkliches, zum Schrauben, wo man sich klemmt und richtig dreckige Finger kriegt». «Und?» Frage ich. «Ist voll aufgegangen», sagt er. Von den ganzen Chemikalien hat er schon Ekzeme an den Händen, er klärt gerade die Berufsunfähigkeit mit dem Amtsarzt ab. Sieht gut aus für ihn.

Das neue Konzept

Wie er das neue Konzept bewertet, den Motor vorne einzubauen, da wo sonst der vordere Kofferraum ist. «von der Gewichtsverteilung schon ganz OK», sagt er, «damit kommt man oft auf 50/50 Gewicht auf den Achsen was gut für das Handling ist, bei dem hohen Schwerpunkt der Verbrenner». Leuchtet mir ein, „schade um den «Frunk» vorne“, sage ich, «aber kann man verschmerzen.» «Bei einem Crash würde ich weniger gerne vorne sitzen», sagt er und erklärt bildhaft: «Stell Dir vor, du springst vom 5er ins Becken und 15cm unter der Wasseroberfläche ist alles voller Stahlschrott, wie fühlt sich das wohl an?» «Na, dann lieber meine Reisetasche», sage ich lachend.

Die Zukunft der Verbrennungsmotoren

Was er denn zur Zukunft der Verbrennungsmotoren denkt, frage ich ihn. Er ist skeptisch, dass sich das Konzept durchsetzt: «Fangen wir beim Treibstoff an: Nicht nur das er ein endlicher Rohstoff ist. Öl ist noch dazu für die Pharma- und Chemische Industrie von unfassbarer Wichtigkeit ist. Dazu wird er aktuell mit einem Wirkungsgrad von «schade» unwiederbringlich verbrannt. Auch das was davon überbleibt ist für den Menschen direkt giftig und für die Umwelt und das Klima langfristig ein katastrophales Problem.» «Na, die paar Autos», erwidere ich. Er stimmt zu: «Bei den paar tausend Benzin- und Dieselfahrzeugen für die verrückten und Technikverliebten heute - aktuell reden wir von ca. 0.6% des Gesamtfahrzeugbestandes – fällt das zumindest heute ganz und gar nicht ins Gewicht. Die Hybriden nehmen wir mal raus», sagt er, «diese schräge Idee, bei der die Nachteile von beiden Konzepten verbunden werden, wird sich wohl sicher nicht durchsetzen»

Magische Abgasreinigung

«Aber schau Dir noch die überaus komplizierte Abgasreinigung an», sagt er, «dann wird das deutlich:» «Im Grunde sind die Vorgaben der Abgaswerte gar nicht mehr einzuhalten», erzählt er. «Zumindest mal nicht zu dem Preis». Es sei ein offenes Geheimnis, aber eigentlich alle Hersteller nutzen eine Gesetztes Lücke für die Typenzulassung: «Die Fahrzeuge emittieren schon genau die Abgaswerte aus den Datenblättern, konform zu den Gesetzen, magischer Weise aber eben leider nur auf dem Prüfstand. Im normalen Fahrbetrieb ist die ganze schöne Reinigung fast immer deaktiviert. Entweder «um den Motor zu schützen», das ist die eine der ausgenutzten Lücken, «oder um den Fahrer nicht auch noch damit zu nerven, neben dauernd tanken fahren zu müssen, dann auch noch eine stinkende, teure Flüssigkeit nachzufüllen – netterweise AdBlue genannt, aber eigentlich nur Harnstoff. Pipi sozusagen.»

Der Anfang vom Ende des Verbrenners

Er befürchtet, «wenn das mal rauskommt, gibt das einen richtigen Skandal. Wahrscheinlich ist das direkt der Anfang vom Ende des Verbrenners», sagt er. Das leuchtet ein. Für Ihn «ein spannendes Experiment», sein Exkurs in diesen neuen, aufstrebenden Wirtschaftszweig. Er sieht sich "wieder in der Entwicklung von IT-Systemen». «Hat mehr Zukunft». Ich nicke. Von mir noch ein freundliches «Dankeschön für die Probefahrt!» und damit verlasse ich den Hof in meinem Tesla.

Man hat einfach das Gefühl, so ein Auto mit Verbrennungsmotor ist kaputt, wenn man einmal elektrisch gefahren ist.

Siehe dazu auch die „Testfahrt mit einem Verbrenner“:

elektroauto-zoe.de/verbrenner-testfahrt/

Auch sehr unterhaltsam geschrieben, vielen Dank dafür, den kannte ich noch nicht. Ich hab vor langer, langer Zeit mal so eine englische Pro/Con Liste gesehen, die hatte ich noch im Hinterkopf, mal gucken ob die hier noch verlinkt wird.