Emissionsbilanz für Harnstoff

Hallo Forum !

Haben wir Wissende unter uns, die mal sagen können, wie Harnstoff hergestellt wird und was man da so an Energie in den Topf werfen muss und welche Emissionen bei der Herstellung auftreten ?

Ich bin heute LEIDER darüber gestolpert:

stuttgarter-nachrichten.de/i … ece50.html

Das nimmt schon skrupellose und groteske Züge an.

Immer wieder wird darauf hingewiesen, daß man die Abgasreinigung auch deshalb zügelt, um den Harnstoffverbrauch in Grenzen zu halten. Das macht man sicher aber nur, damit man nicht auch noch einen 100l Harnstofftank durch die Gegend fährt.

Dennoch - die „Lösung“ könnte ja auch sein, davon einfach mehr einzuspritzen - aber welche Kosten würden dahinter stecken ?

Danke für Eure Antworten.

:wink:

Hmmm - wenn man im Artikel liest unter welchen Bedingungen die Abgasnachbehandlung abgeschaltet werden darf, sieht man mal wieder warum die Konzerne deren Geschäftsgebaren mit Gesetzen geregelt werden soll eben NICHT an diesen Gesetzen mitwirken sollten…

Das ist doch alles 1:1 aus den Gesetzesvorlagen der Autolobbyisten übernommen und nun können Daimler VW und Co sich hinstellen und sagen „ist doch legal“. Was sie nicht sagen „ist legal, weil wir die Gesetze mitgeschrieben haben“.

Cheers Frank

Interessant. Den Artikel hab ich heute Mittag auch gelesen und dann genau den gleichen Gedankengang gehabt wie du: „Wie viel Energie braucht man eigentlich, um den extra Harnstoff herzustellen?“

Ich denke, das Problem ist, dass die wenigsten erkennen wollen / können, dass Benzin nicht auf den Bäumen wächst und Diesel nicht aus dem Tankstellenbrunnen kommt. Viele vergessen ja beim Hauptprodukt die intensive und schmutzige Vorkette, wer will sich da mit Harnstoff beschäftigen…

Spannend wird es wenn die PHEVs im großen Stil kommen, das wird die Voraussetzungen für guten Journalismus nochmals auf ein neues Level heben.

Danke für Eure Antworten…

Mir geht eben folgendes im Kopf herum:

Im Grundsatz wird das Harnstoff-System dazu verwendet, um eigentlich nur auf dem Rollenprüfstand perfekte Werte zu zaubern. Genau das wird ja der C-Klasse aus dem Artikel auch bescheinigt.

Abseits der künstlichen Umgebung führt unter gewissen Umständen schon das banale Einschalten der Klimaanlage zu einer derart signifikanten Reduzierung der Abgasreinigung, daß die Grenzwerte sehr bedenklich überschritten werden.

Fazit:

Das System wird über weite Teile im Fahrzeug mit herumgefahren und belastet mit seinem Aggregat-Gewicht auch noch die ohnehin schlechte Emissions-Bilanz des Euro 6 Diesel. Das System wird eigentlich nur in der Form eingesetzt, um die Grenzwerte im Testzyklus zu erreichen. Über weite Teile des realen Betriebs ist es sogar wirkungslos - das gilt nahezu für jede BAB Fahrt !
Weiterhin muß man die vollen bilanziellen Emissionskosten des Harnstoffs mit in die CO2 Bilanz des Euro 6 Diesel einrechnen.

Zum Harnstoff:

Quelle: wikipedia (de.wikipedia.org/wiki/Harnstoff)

"…

Der Harnstoffpreis bewegte sich lange um 100 US-Dollar/Tonne, seit 2003 stieg er jedoch rasant. Aktuell (Juli 2015) liegt er bei 273 USD/t.

Harnstoff wird zur Reduktion von Stickoxiden im Abgas von Kraftwerken und Verbrennungsmotoren verwendet. In Kraftwerken wird – vornehmlich bei kleineren Anlagen – das SNCR-Verfahren (selektive nichtkatalytische Reduktion) angewandt. Beim sogenannten SCR-Verfahren (Selektive katalytische Reduktion), das in Kraftwerken und in zunehmendem Maß auch in der Fahrzeugtechnik eingesetzt wird, wird Harnstoff oder Ammoniak in den heißen Abgasstrom eingespritzt. Der Harnstoff zersetzt sich zu Ammoniak, das in einem nachgeschalteten Katalysator die Stickoxide reduziert. In der Kraftfahrzeugtechnik wird eine wässrige Lösung mit 32,5 % Harnstoffanteil verwendet, die unter dem Handelsnamen AdBlue bekannt ist. Der Verbrauch an Harnstofflösung beträgt etwa 2 bis 8 % des Treibstoffverbrauchs.

…"

Aus dem Artikel wird auch klar, warum man Harnstoff sparen will - er ist teuer. Persönlich weiß ich das von meinem Nachbarn, der im Aussendienst einen Euro 6 Diesel Passat fährt und sogar die Kanister mitführt, da bei ausbleibenden Harnstoff, das Fahrzeug nicht mehr zu starten ist - die Betriebserlaubnis erlischt dann ja…der letzte Punkt der Betriebserlaubnis führt mich dann noch zu folgenden Gedanken:

Im Grundsatz sind die entspr. Gesetze zur Einhaltung von Abgasvorschriften dazu gedacht, Schaden von Mensch und Natur abzuwenden bzw. die Auswirkung menschlichen Handelns auf beide zu reduzieren oder zu begrenzen.

Regelmäßig kommt es aber zu den im Artikel aufgeführten Auslegungen der Gesetze durch die Hersteller. Ich würde sogar meinen, daß diese mglw. insofern noch nichtmal rechtswidrig handeln. Wie schon korrekt bemerkt, arbeiten die Hersteller auch an den Gesetzestexten über Lobbyismus mit und beschäftigen Heerscharen von hoch bezahlten Anwälten, damit am Ende die Dinge für sie die richtige Wendung nehmen - rücksichtslos und ausschließlich gewinnorientiert - das ist meine Meinung.

Anyway…mich interessiert, wie eine Klage der DUH in Schleswig ausgehen kann. Was wird das Gericht feststellen ? Im besten Fall kann es ja nur so laufen, daß Daimler aktuell Recht bekommt, das Gericht aber den Gesetzgeber dazu auffordert im Sinne des bestehenden Gesetzes die Regulierungen so zu fassen, daß die beabsichtigte Schutzwirkung für Mensch und Natur auch dauerhaft und nachvollziehbar eintritt.

Was meint Ihr ?

:frowning:

Ich bin da optimistischer (bzw. für Daimler pessimistischer)
Ich denke dein „im besten Fall“ ist der schlechtest denkbare Fall.
Denn es ist natürlich technisch gesehen Schwachsinn, dass die Abgasnachbehandlung komplett abgeschaltet werden muss wenn es nur 8-9 Grad Außentemperatur hat oder die Klimaanlage an ist, weil sonst der Motor kaputt geht.
Entsprechend werden die Richter urteilen müssen, dass Daimler sittenwidrig, bösartig oder wie auch immer juristisch korrekt bezeichnet handelt.
Wenn wie von Daimler in den Regularien bestimmte seltene Ausnahmen so interpretiert werden, dass die seltene Ausnahme in der Praxis immer da ist (keine Abgasbehandlung) widerspricht es ja dem Geist des der Vorschrift.

Das wäre ein klassisches Verfassungsgerichts-Urteil. Die untergeordneten Instanzen dürfen sich solche Meinungsäußerungen glaube ich nicht erlauben. Dann wären sie ja nicht mehr unparteiisch - also befangen.

Cheers Frank

Ich hab das mal ausgerechnet und kaum auf sehr geringe Energieverbräuche für die Herstellung. Das machte nach meiner Rechnung keine 5% Zusatz-CO2-Ausstoß pro km aus. Allerdings bei angenommenen 5% Adblue-Verbrauch pro 100% Treibstoffverbrauch - wollte man das Abgas dauerhaft wirkungsvoll reinigen, wäre der Verbrauch ja höher, wie wir inzwischen wissen.

Interessant ist, dass Adblue-Tanks beheizt werden müssen, weil das Zeug ab rund -10° einfriert.

Jedenfalls nimmt die Sache Fahrt auf…

tagesschau.de/ausland/merced … e-101.html

Die Frage ist ja - um TeeKay’s Ausführungen weiterzuführen - wieviel AdBlue im Bereich Stickoxyde muß man denn dauerhaft in den Ring schmeißen, damit z.B. auch bei 130 km/h alles funktioniert. Wie groß wäre der Tank, was kostet z.B. das Heizen des Tanks und ist das überhaupt ein praktikabler Weg ?

Angenommen man kann das alles nicht zufriedenstellend beantworten und weiterhin angenommen die deutsche Gerichtsbarkeit entscheidet, wie es sich viele hier wünschen - dann würde neben den Euro 5 Katastrophen ebenfalls der Euro 6 mit Harnstoffeinspritzung nicht zu halten sein, was dann auf jeden Fall das Ende des Diesels bedeutet, weil er eben nicht im Abgasverhalten entspr. zu reinigen ist.

Gerade die Diskussion um Stuttgart macht das aktuell sehr deutlich. Es ist schon passend das Thema Stuttgart und Daimler mit der neuen C-Klasse hier einmal übereinander zu legen.

Es gibt kein, blue, green, eco bla Diesel. Auch nicht von Daimler…

Warten wir den Abend ab - ggf. tut sich ja etwas bei der E-Förderung heute…

:wink:

Die Diskussionen und Aktionen nach Dieselgate im September 2015 haben dazu geführt, dass dieser Diesel von Daimler nun überhaupt geprüft wurde. Das ist das Gute daran: eine gesellschaftliche Diskussion. Ein Fokus, der den Autokäufer und Autobesitzer langsam hoffentlich zweifeln lässt, ob er seine geliebte Maschine nun noch überall und jederzeit bewegen darf. Und vielleicht eine Abkehr derer im Kopf. Und im besten Fall hin zur Elektromobilität.