Stell dir vor…
Du möchtest dir zu deinem Vierziger etwas ganz Besonderes gönnen. Etwas, das einerseits praktisch ist aber auch ordentlich Spaß machen darf.
Die Vorfreude ist riesig, im Tesla Autohaus geht man professionell auf deine Fragen ein, nimmt sich Zeit und bietet dir bei jeder bietenden Gelegenheit Kaffee an. Eine weitere Probefahrt? Kein Problem.
Die Entscheidung fällt nach vier ausgiebigen Probefahrten, bei denen du die Highlands auf Herz und Nieren prüfst, positiv aus.
Du kennst die Eigenheiten des Highlands, kein Blinkerhebel, alles Touch, weißt dass die Features oft besser angepriesen werden, als sie in der Praxis sind. Autopilot brauchst du eigentlich nicht. Die Karre soll ruhig fahren und dabei gut aussehen. Du liest dich Monatelang durch Fachforen, kennst mögliche Schwachstellen. Dir ist bewusst, auf was du bei der Übergabe achten musst. Kein Problem.
Tag der Übergabe. Du trittst ein, deine grünen Taferln in der Hand, erstmals Kaffee. Auf den Termin hat man vergessen, irgendwie im System untergegangen. Den Mitarbeiter siehst du zum ersten Mal gestresst. Bitte kurz warten. Noch einen Kaffee?
Das Fahrzeug übernimmst du unaufbereitet. Nicht schlimm, ist halt ein wenig schmutzig vom Transport, denkst du. Du erkennst auf den schwarzen Zierleisten Verfärbungen, werden dokumentiert. Sonst alles gut. Die Aufbereitung wird eine Woche später nachgeholt.
Das erste Mal am SuC. Hören, wie das neue Fahrzeug summt. Und wie es riecht. So oft kaufst du kein neues Fahrzeug im Leben. Die Begeisterung steigt ins Unermessliche. Wahnsinn, so ein E-Fahrzeug. 20 Minuten anstecken und weiter gehts mit fast 300 PS.
Ein paar Wochen später. Servicetermin. Ziel: Austausch der verfärbten Zierleisten. Gebucht über App, kein Problem. Du merkst, dein Tesla SeC hat keine Telefonnummer, kein einziges SeC hat eine Telefonnummer. Das findest du seltsam, aber ok. Wahrscheinlich, denkst du, sind die mit ihren Serviceprozessen einfach ihrer Zeit voraus.
Du holst dein Fahrzeug nach dem ersten Servicetermin ab, man erklärt dir, die schwarzen Zierleisten seien nicht getauscht aber poliert. Du findest das seltsam, aber ok. Wenn die Verfärbung wieder auftritt würde man sie tatsächlich tauschen.
Du fährst ein Monat und merkst, dass die Zierleisten ihren Glanz wieder verlieren und buchst dir einen neuen Servicetermin über die App, kein Problem. Du kennst ja den Ablauf schon. Im nächsten Termin werden sie dann wirklich getauscht. Zuhause entdeckst du, dass der helle Dachhimmel mit schwarzen Fingerabdrücken versaut ist. Du massierst vorsichtig die Flecken eine Stunde lang aus dem Stoff.
Inzwischen hast du dich an die Eigenheiten gewöhnt. Viele davon sind in der Praxis überhaupt nicht schlimm. Du wunderst dich, warum ausgerechnet die Werbefeatures wie der Autopilot in nur 80% der Fälle wirklich ihren Job machen. Überhaupt fällt ständig irgendwas aus, ständig Hinweise.
Es ist Hochsommer, 37 Grad, du machst am Wochenende Ausflüge aufs Land, Tage am See. Ganz schön heiß, das Glasdach. Du merkst, dass dein Highland gerne knarzt im Bereich des Armaturenbretts, jedes Mal wenn du eine Kurve fährst. Du findest das seltsam, keiner der Probefahrt-Highlands hat je geknarzt. Dein erster Gedanke: Neuer Servicetermin, bitte ansehen.
Du wirst in diesem Sommer deswegen drei Mal am SeC vorstellig, beim letzten Mal nimmt man dich nicht mehr ernst. Schickt dir nicht mal mehr die Meldung, dein Fahrzeug sei abholbereit. Du bekommst keine Info mehr, was man unternommen hat. Man nimmt deinen Highland zwar an, wie die letzten Male und fährt ihn in die Servicehalle. Zurück bekommst du ihn unverändert. Du denkst, du bist zu sensibel, vielleicht hörst das Knarzen nur du. Auf den Serviceaufträgen entdeckst du, dass bei allen drei Terminen wegen deinem Knarzen nicht mal ein Kilometer Testfahrt unternommen wurde.
Am SeC kennt man dich inzwischen, man begrüßt dich beim Eintreten mit deinem Namen. Du fühlst dich trotzdem nicht ernst genommen, Mitarbeiter sind kurz angebunden, aber freundlich. Du bildest dir ein, man gibt dir unterschwellig das Gefühl, dass du jetzt schon zu oft hier warst. Und du weißt dir langsam nicht mehr zu helfen. Du verlangst den Serviceleiter zu sprechen. Hey, erstmal Kaffee?
Der Serviceleiter erklärt dir, dass man das Knarzen nachstellen muss, aber grundsätzlich keine Testfahrt in dem Ausmaß unternehmen kann, weil das zu lange dauert und das vom System her nicht freigegeben wird. Seltsam, denkst du, wie sollen sie denn dann das Knarzen nachstellen und beheben? Man verabschiedet sich auf unbestimmte Zeit und du erhältst den Vorschlag, wenn es aktuell gerade knarzt, könntest du ja spontan vorbeikommen. Whut?
Du versuchst, nicht so sensibel zu sein, schraubst deinen Anspruch herunter und versuchst dich weiter auf das 40k Euro Fahrzeug einzulassen. Auf die guten Seiten. Die ersten 5k Kilometer sind um, das Ding macht Spaß, instant 300 PS unterm Hintern. WOW.
Herbst. Du merkst, dein Fahrersitz gibt von heute auf morgen plötzlich laute Knarzgeräusche von sich. Nichts, was man überhören kann. Laut und deutlich, bei jeder Fahrt, sogar im Stand. Endlich ein Knarzen, dass du jederzeit nachstellen kannst. Ungefähr zur selben Zeit beginnt dein rechter Außenspiegel ein Eigenleben. Entweder er zeigt nach dem Losfahren in den Himmel oder den Asphalt. Mehrmals die Woche. Wartest ein Softwareupdate ab, keine Besserung. Kein Problem, denkst du, so offensichtliche Fehler werden bestimmt schnell gelöst.
Du buchst dir über die App einen Werkstatttermin, drei Wochen Wartezeit, uff. Du erklärst penibel und ausführlich im Chat, was das Problem ist. Du bekommst vorgefertigte Textbausteine retour, immer freundlich. Endlich ist es soweit. Du hast ein gutes Gefühl, stellst deinen Highland auf den Vorplatz des SeC und wartest. Ein paar Stunden später treffen die ersten Neuigkeiten ein, Knarzen am Sitz behoben. Du atmest erleichtert durch. Das Problem mit dem Außenspiegel könne man nicht finden, alles in Ordnung. Innerlich verkrampfst du. Wie ist das möglich. Noch heute Früh musstest du anhalten und ihn neu einstellen.
Bei der Abholung merkst du sofort, dass dein Sitz noch genauso knarzt wie in der Früh. Keine Rede von behoben. Du siehst dir den Sitz genauer an und merkst, wie einfach massenhaft schwarzes Textilband in die Seitenränder geklebt wurde. Das findest du seltsam, denn dort hat es nie geknarzt. Du sprichst wieder mit einem Serviceleiter, ja, das Knarzen sei wirklich nicht normal. Das Sitzgestell dürfe man aber nicht „einfach so“ austauschen. Den Spiegel ebenfalls nicht. Dafür benötigt man das „Ok der Tesla Ingenieure“. Das findest du seltsam, willigst aber ein, dass man sich in zwei Wochen wieder melden wird.
Zuhause möchtest du wissen, ob die Mechaniker irgendetwas sonst am Sitz erledigt haben, du leuchtest mit einer Taschenlampe unter den Sitz und dir fällt sofort auf, dass ein Kunststoffteil im Unterbau gebrochen ist. Du erkennst, dass das passiert, wenn man mit viel Kraft den Fahrersitz auseinander nimmt, um ihn mit Textilband zu füllen. Du fühlst dich mit einem Schlag wieder ohnmächtig, dem "System Tesla-Service“ ausgeliefert und beginnst eine tiefe Abneigung gegen diese Firma aufzubauen. Nicht, dass irgendetwas behoben wurde, nein, es wurde sogar etwas kaputt gemacht. Du meldest das gleich in der App im Serviceauftrag mit Foto, keine Reaktion bis heute.
Einige Zeit später erscheint tatsächlich ein neuen Serviceauftrag in der App, du freust dich, dass man dich diesmal nicht belogen hat. Den Kostenvoranschlag von über 500 Euro ignorierst du, denn du weißt, in der Garantiezeit wird das nur vom System her angezeigt. Warum man dennoch immer einen Kostenvoranschlag bestätigen muss, obwohl dieser garantiebedingt nie zu Anwendung kommt, findest du seltsam. Du machst dir einen neuen Servicetermin aus, den Siebten. Frühester Termin für den Fahrersitz und Spiegel in vier Wochen, uff.
Mittlerweile hast du jegliches Vertrauen in Tesla verloren. Ein Fahrzeug wolltest du dir gönnen, einmal etwas Besonderes, Spaß haben, kein bloßer Gebrauchsgegenstand. Jetzt hast du seit einem halben Jahr Ärger. Dir wird bewusst, dass dieses Theater minimale Mängel betrifft. Nichts Dramatisches. Beim Gedanken, was geschieht wenn tatsächlich einmal etwas Wildes passiert oder du liegen bleibst mit deinem Highland, wird dir schlecht.
Erstmals erkennst du, du hast bei all den Recherchen, Probefahrten und Gesprächen eines komplett außer Acht gelassen: Den Service. Du weißt erst jetzt, man will bei Tesla keine Garantiefälle. Niemand kümmert sich ernsthaft um die Behebung, nur leere Versprechungen. Wartezeit und Bürokratie ohne Ergebnis. Man schickt dich seit Monaten im Kreis. Zermürbungstaktik.
Du recherchierst Service-Erlebnisse anderer, erfährst, dass du mit dem Erlebten nicht alleine bist. Und dass selbst Anwälte kein Garant dafür sind, die Problemlösung zu beschleunigen. Resigniert blendest du die guten Seiten des Highlands aus. Sieben Servicetermine in fünf Monaten. So macht das alles keinen Spaß mehr. Du stellst deinen Highland auf eine Verkaufsplattform. Bloß keinen Tesla mehr.
(Die Erfahrung bezieht sich auf die SeC Wien und St. Pölten, was aber egal ist, denn das System ist überall dasselbe.)
Mangels Tesla-Fahrzeug verabschiede ich mich demnächst aus dem Forum. Danke für alles.