Am 24. November 2018 hat Greta Thunberg bei TEDxStockholm eine Rede gehalten, die mich schwer beeindruckt hat. Kenntnisreich und in fließendem Englisch spricht sie von ihren Erlebnissen, ihrem Unverständnis von Politik und Medien angesichts der Klimakrise und begründet ihren anhaltenden Hilfeschrei.
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Ich habe mir gestern Abend die Mühe gemacht, diese Rede zu übersetzen. Es ist spät geworden. 
„Als ich ungefähr 8 Jahre alt war, hörte ich zum ersten Mal von etwas namens Klimawandel oder globale Erwärmung. Offenbar ist das etwas, was Menschen gemacht haben durch ihre Art zu leben. Mir wurde gesagt, dass ich das Licht ausmachen soll, um Energie zu sparen und Papier wiederverwenden soll um Ressourcen zu sparen. Ich erinnere mich, dass ich das sehr seltsam fand, dass Menschen, die eine Tierart von vielen sind, fähig sein kann, das Erdklima zu verändern. Denn, wenn wir es sind und wenn es tatsächlich geschieht, dann würden wir doch über nichts anderes mehr sprechen. Sobald wir den Fernseher anschalten, würde alles davon handeln. Schlagzeilen, Radio, Zeitungen… wir würden von nichts anderem hören oder lesen so als wäre ein Weltkrieg ausgebrochen. Aber keiner hat je darüber gesprochen.
Wenn das Verbrennen von fossilen Brennstoffen so schädlich war, dass es unsere Existenz bedroht, wie können wir dann so weiter machen wie bisher? Warum gibt es keine Beschränkungen? Warum wurde es nicht verboten? Für mich ergibt das keinen Sinn. Es war zu unwirklich.
Dann mit 11 Jahren wurde ich krank. Ich verfiel in Depressionen. Ich verstummte und hörte auf zu essen. Innerhalb von zwei Monaten habe ich ca. 10 kg Gewicht verloren. Später wurde bei mir Asperger-Syndrom, eine Zwangsstörung und selektiver Mutismus festgestellt. Im Kern bedeutet es, dass ich nur dann spreche, wenn ich denke, dass es erforderlich ist. Jetzt war einer dieser Momente.
Für diejenigen von uns, die im (Autismus-)Spektrum sind, ist fast alles entweder schwarz oder weiß. Wir können nicht gut lügen und normalerweise genießen wir es nicht, am sozialen Leben teilzunehmen, was aber alle anderen so gerne mögen. Ich denke in vielerlei Hinsicht sind wir Autisten die Normalen und die anderen sind ziemlich seltsam. Besonders beim Thema Nachhaltigkeit, bei dem jeder sagt, der Klimawandel ist eine existentielle Bedrohung und das allerwichtigste Thema und dann machen alle weiter wie bisher. Ich verstehe das nicht. Wenn die Emissionen gestoppt werden müssen, dann müssen wir die Emissionen stoppen.
Für mich ist das schwarz oder weiß. Es gibt keine Grauzonen, wenn es um das Überleben geht. Entweder bestehen wir als Zivilisation weiter oder nicht. Wir müssen uns ändern!
Reiche Länder wie Schweden müssen anfangen die Emissionen wenigstens um 15% pro Jahr zu verringern. Das ist so, damit wir unter einer Erwärmung von 2° bleiben.
Kürzlich hat das IPCC gezeigt, dass stattdessen ein Ziel von 1,5° Celsius die Folgen für das Klima deutlich reduzieren würde. Wir können uns vorstellen, was das für die Verringerung von Emissionen bedeutet.
Ihr würdet denken, die Medien und alle unsere Oberhäupter würden über nichts anderes reden. Aber sie erwähnen es nie. Weder wird erwähnt, dass Treibhausgase bereits im System eingeschlossen sind. Noch wird erwähnt, dass Luftverschmutzung eine Erwärmung versteckt, so dass wir beim Stopp der Verbrennung fossiler Brennstoffe bereits eine zusätzliche Erwärmung von etwa 0,5 bis 1° Celsius haben.
Außerdem spricht kaum jemand darüber, dass wir uns mitten im sechsten Massenaussterben befinden. Bis zu 200 Arten sterben an jeden einzelnen Tag aus. Die Aussterberate ist heute zwischen 1.000 und 10.000-mal höher als normal.
Kaum jemand spricht über Klimagerechtigkeit, welche beim Pariser Klimaabkommen als absolut erforderlich angesehen wurde, damit es global funktioniert. Es bedeutet, dass reiche Länder ihre Emissionen innerhalb von sechs bis 12 Jahren auf Null reduzieren müssen. Menschen in ärmeren Ländern müssen eine Chance haben, ihren Lebensstandard zu verbessern durch den Aufbau von Infrastruktur, die wir schon haben, wie Straßen, Schulen, Krankenhäuser, sauberes Trinkwasser, Elektrizität etc… Denn wie können wir von Ländern wie Indien oder Nigeria erwarten sich um die Klimakrise zu kümmern, wenn wir, die schon alles haben, uns keine Sekunde darum kümmern oder um die aktuellen Zusagen zum Pariser Abkommen.
Warum also reduzieren wir nicht unsere Emissionen? Warum steigen sie tatsächlich immer noch? Verursachen wir wissentlich ein Massenaussterben? Sind wir böse? Nein, sicher nicht. Die Menschen machen weiter, weil die große Mehrheit keine Ahnung hat von den Konsequenzen unseres Alltagslebens und sie wissen nicht, wie notwendig ein schneller Wandel ist. Wir alle denken, wir wissen es und wir alle denken, jeder weiß es aber so ist es nicht. Wie könnten wir das auch. Wenn es wirklich eine Krise gab, und diese Krise durch unsere Emissionen verursacht wurde, müssten man wenigstens einige Anzeichen sehen. Nicht nur überflutete Städte, zehntausende Tote und ganze Länder mit bis zum Boden abgerissenen Gebäuden. Man würde Beschränkungen sehen. Aber nein. Und niemand spricht darüber. Es gibt keine Notfallbesprechungen, keine Schlagzeilen, keine aktuellen Nachrichten. Niemand handelt so als wären wir in einer Krise. Sogar die meisten Klimawissenschaftler oder grüne Politiker fliegen um die Welt, essen Fleisch und Milchprodukte.
Wenn ich 100 Jahre alt werde, lebe ich im Jahr 2103. Wenn ihr heute über die Zukunft nachdenkt, denkt ihr nicht über das Jahr 2050 hinaus. Im besten Fall habe ich dann nicht einmal die Hälfte meines Lebens hinter mir. Was geschieht danach? Im Jahr 2078 feiere ich meinen 75. Geburtstag. Wenn ich Kinder oder Enkelkinder habe, verbringen sie vielleicht den Tag mit mir. Vielleicht fragen sie mich nach euch, den Menschen aus dem Jahr 2018. Vielleicht werden sie fragen, warum ihr nichts getan habt, als es noch Zeit dafür war. Was wir jetzt tun oder nicht tun betrifft mein ganzes Leben und das Leben meiner Kinder und Enkelkinder. Was wir jetzt tun oder nicht tun kann ich und meine Generation in Zukunft nicht ungeschehen machen.
Also habe ich zum Schulbeginn im August beschlossen, das es jetzt reicht. Ich habe mich vor dem schwedischen Parlament auf den Boden gesetzt. Ich mache Schulstreik für das Klima. Manche Leute sagen, ich soll stattdessen zur Schule gehen. Manche Leute sagen, ich soll lernen, damit ich ein Klimawissenschaftler werde und so „die Klimakrise lösen“ kann. Aber die Klimakrise ist bereits gelöst. Wir kennen alle Fakten und die Lösungen. Alles was wir tun müssen ist aufwachen und ändern. Und warum soll ich für eine Zukunft lernen die bald nicht mehr da ist, wenn niemand etwas macht, um diese Zukunft zu retten. Was ist der Sinn des Lernens von Fakten im Schulsystem, wenn die wichtigsten Fakten der besten Wissenschaft offensichtlich nichts bedeuten für die Politiker in unserer Gesellschaft.
Einige Leute sagen, Schweden ist nur ein kleines Land und es spielt keine Rolle, was wir tun. Aber ich denke, wenn wenige Kinder in der ganzen Welt Schlagzeilen machen, weil sie wenige Wochen nicht zur Schule gehen. Stellt euch vor, was wir zusammen alles erreichen können, wenn wir nur wollen.
Jetzt sind wir fast am Ende meiner Rede.
Die Menschen beginnen dann üblicherweise über Hoffnung zu reden. Solarmodule, Windkraft, Kreislaufwirtschaft und so weiter. Aber ich werde das nicht tun. Wir hatten 30 Jahre mit Aufmunterungen und Verkauf positiver Ideen. Es tut mir leid aber es funktioniert nicht, denn wenn es funktioniert hätte, wären die Emissionen bis jetzt herunter gegangen. Sie sind es nicht.
Ja, wir brauchen Hoffnung. Selbstverständlich. Aber was wir mehr brauchen als Hoffnung ist Aktion. Sobald wir beginnen zu Handeln ist Hoffnung überall. Also statt nach Hoffnung zu suchen, sucht nach Aktion. Dann und nur dann wird Hoffnung kommen.
Heute verbrauchen wir 100 Millionen Fässer Öl an jedem einzelnen Tag. Die Politik ändert daran nichts. Es gibt keine Regeln, um das Öl im Boden zu lassen. Also können wir die Welt nicht retten, wenn wir nach den Regeln spielen. Die Regeln müssen geändert werden. Alles muss sich ändern. Und es muss heute anfangen.
Vielen Dank.“