Vorgeschichte:
Im TFF Forum habe ich verschiedene Berichte über Leute gelesen die im Winter ans Nordkapp gefahren sind.
Norwegen haben wir vor ca. 3 Jahren schon im Sommer elektrisch bereist, aber im Winter?
Irgendwann dieses Jahr habe ich dann meinem Sohn (der ist mittlerweile auch schon 20 Jahre alt) von den Nordkapp Reisen elektrisch im Winter erzählt, er war sofort begeistert von der Idee. Ich wollte seinen jugendlichen Übermut dann nicht ausnutzen und habe so im September 2019 begonnen eine Nordkapp Reise im Winter detailiert durch zu planen. Als die Planung stand (was für Etappen mit ca. wie vielen Kilometern pro Tag) habe ich die dann noch einmal meinem Sohn gezeigt ob er das wirklich will - seine Begeisterung war ungebrochen. Meine Frau und meine Tochter haben gleich abgewunken - das klang zu sehr nach Autofahren und zu wenig nach Ferien.
Somit war klar - wir nehmen die Reise in Angriff mit unserem Tesla Model S 90D (2017/3).
Ein Bruch meines Schlüsselbeines (durch einen Sturz beim Skifahren) drei Wochen vor Reisebeginn führte kurz noch einmal zu Unsicherheit, konnte den Reisebeginn dann aber nicht mehr verhindern.
Hier die verschiedenen Etappen:
Tag 1 21.12.2019: Liechtenstein - Koge / Dänemark
Start um 3h und Ankunft um 20:30
Etappenlänge: 1330 km
Wetter: ca. 5 Grad bei der Abfahrt und 5 Grad bei der Ankunft. Die ersten 300 Kilometer leichter Regen, anschliessend trocken. Bewölkt mit einzelnen Sonnenfenstern.
Erkenntnis 1 des Tages: Wenn man mit dem Model S auf der deutschen Autobahn einmal kräftig Strom gibt, wird der Tacho ab 230 km/h rot
Erkenntnis 2 des Tages: am dänischen Zoll scheinen Teslas als verdächtig zu gelten. Vor uns haben die Zöllner ein Model 3 zur Seite gebeten und wir mussten auch raus. Die Kontrolle beschränkte sich dann aber darauf freundlich nach unserem Reiseziel zu fragen und unsere Pässe zu konrollieren.
Tag 2 22.12.2019: Koge / Dänemark - Söderhamn / Schweden
Start um 8:30h und Ankunft um 20:45
Etappenlänge: 910 km
Wetter: 3 Grad bei der Abfahrt und 2 Grad bei der Ankunft. Mehrheitlich bewölkt aber trocken.
Erkenntnis 1 des Tages: Nicht jeder versteht warum jemand freiwillig zu dieser Zeit ans Norkapp fährt und was man dort machen soll. Beim schwedische Zöllner der uns nach unserem Reiseziel gefragt hat, war das wohl so.
Erkenntnis 2 des Tages: In Schweden gibt es ganz schön viel Wald
Tag3 23.12.2019: Söderhamn / Schweden - Lulea / Schweden
Start um 8:15h und Ankunft um 18:45h
Etappenlänge: 660 km
Wetter: 1 Grad bei der Abfahrt und -2 Grad bei der Ankunft. Trocken aber bewölkt
Die Etappe ist landschaftlich sehr schön. Die vielen Süsswasserseen und Flüsse sind alle zugefroren. Das Meer grossteils aber Eisfrei.
Erkenntnis 1 des Tages: Fertig mit dem Kindergeburtstag. Knapp nach Söderhamn sahen wir den ersten Schnee. Das wurde dann kontinuierlich mehr. Die Strasse auf der wir unterwegs waren war aber grossteils schneefrei. Von bisher 90% fahren mit Autosteering mussten wir nun grösstenteils auf Handbetrieb umstellen.
Erkenntnis 2 des Tages: Lulea ist eine richtig nette Stadt !
Von der restlichen Reise werde ich in den nächsten Tagen weiter berichten.
Morgen und übermorgen steht ein kritischer Teil an - wir verlassen den Bereich mit sehr guter Supercharger Abdeckung und queren die skandinavische Halbinsel von der schwedischen an die norwegische Küste.
Warum geht ihr denn die Muffe??..Schweden ist ein tolles Land, wir waren dieses Jahr in SüdSchweden und Norwegen bis hoch zu den Lofoten…eine wunderschöne Reise ohne jegliche Probleme
Hallo,
wie versprochen hier die erste Fortsetzung des Reiseberichts:
Tag4 24.12.2019: Lulea / Schweden - Kilpisjärvi / Finnland
Start um 8:20h und Ankunft um 18:15h
Etappenlänge: 540 km
Wetter: -3 Grad bei der Abfahrt und -10 Grad bei der Ankunft. Trocken.
Mehr Winter geht nicht mehr. Die Strassen sind grossteils Schnee / Eisbedeckt und das Land / die Bäume sind tief verschneit. Die meisten Strassen sind mittlerweile ohne Wildzäune. Entsprechend gab es dann in der Abenddämmerung auch immer wieder mal ein (oder mehrere Renntiere ) auf der Strasse oder direkt daneben. Einen Elch bei der Strassenüberquerung konnten wir auch noch beobachten.
Heute habe ich an einem Fortum Charger in Kilpisjärvi noch einmal ca. 23 kWh geladen (0.3 € pro kWh), um es morgen entspannt zum nächsten Supercharger zu schaffen.
Erkenntnis 1 des Tages: Wenn etwas aussieht wie ein Elch, ist er das in Schweden eventuell auch.
Erkenntnis 2 des Tages: Die Schweden fahren vermutlich mit Nachtsichtgeräten (auf jeden Fall sehr oft mit einer grossen Anzahl an zusätzlichen Scheinwerfern) – das Tempo das da einige in der Nacht auf schneebedeckten Strassen beim Autofahren anschlagen ist atemberaubend .
Erkenntnis 3 des Tages: Am 24.12. einen offenen Supermarkt oder ein Restaurant im Hinterland von Schweden oder in Finnland zu finden, ist gar nicht so einfach. Wir konnten dann am Abend am traditionellen Weihnachtsbuffet (Karottensuppe, Salzkartoffeln, Fisch, Hackbällchen, Elch mit Karotten) eines Hotels teilnehmen und mussten daher nicht hungrig schlafen gehen.
Lasst Euch ja nicht hetzen, die allermeisten fahren dort oben mit Spike-Reifen herum. Ihr habt echt Glück mit dem Wetter, dieses Jahr ist es ungewöhnlich warm dort oben. An den Tankstellen werdet Ihr noch am meisten Glück haben mit warmen Essen. Das Winterressort in Muonio hatte vor zwei Jahren ein gutes Mittagsbüffet, doch dort seid ihr längst vorbei. Wir hatten erst in Alta wieder Glück, sind damals bei Palojoensuu die östliche, direkte Route nach Alta gefahren. Kurz vor der norwegischen Grenze gab es noch eine Tankstelle mit einem Restaurant. Dort hätte man auch Essen können. (Link zu unserem Reisebericht ist in meiner Signatur.)
Weiterhin gute Fahrt, schöne Erlebnisse und frohe Weihnachten!
Tag 5 25.12.2019: Kilpisjärvi / Finnland – Alta / Norwegen
Start um 8:45h (Finland ist +1h zur Zeit in Schweden oder Norwegen) und Ankunft um 14:15h
Etappenlänge: 310 km
Wetter: -11 Grad bei der Abfahrt dann eine kurze Spitze bei -13 Grad. An der norwegischen Küste dann immer so +/- 0 Grad mit teilweise leichtem Schneefall und leichtem Regen. Ab ca. 11:30h dann trocken.
Innert weniger Kilometer ist die Temperatur heute zur norwegischen Küste hin rapid angestiegen auf (für diese Jahreszeit und diesen Breitengrad) beinahe frühlingshafte 0 Grad. Vermutlich fast zu warm für Rentiere und Elche – wir haben auf jeden Fall heute keine gesehen.
Die Landschaft ist grossteils weiterhin tief verschneit, aber es hat weniger Schnee wie im Inland.
Erkenntnis 1 des Tages: Auch am 25.12. hat fast alles geschlossen. Wir haben uns am Tag von mitgebrachten Riegeln und Keksen ernährt. Leider sind auch öffentlich zugängliche Toiletten Mangelware. Dafür musste man an den Superchargern nicht anstehen.
Ich habe eine Frage: Wie sieht es mit der Bodenfreiheit bei Schnee und Eis im Hohen Norden aus? Im Februar plane ich eine Reise nach Norwegen mit dem Model 3. Meint ihr es wird problematisch? Reifen ohne Spikes scheinen mit angepasstem Tempo zu funktionieren.
Weiterhin gute Reise und immer ein paar Elektronen im Tank!
Hallo macener,
Bodenfreiheit war bisher überhaupt kein Problem.
Wir haben uns auch wegen dem Punkt entschieden mit dem Model S zu gehen. Das wäre aber auch mit unserem M3P von der Bodenfreiheit kein Problem gewesen. Wir haben bisher aber auch ausserordentlich gutes Wetter zum Fahren erwischt. Wenn am Morgen 30cm Neuschnee über Nacht gefallen wären, würde das eventuell anders aussehen.
Mein Eindruck ist aber das an der Küste in Norwegen deutlich weniger Schnee liegt als im Hinterland - im schlimmsten Fall müsstest du dann eventuell deine Reiseroute anpassen.
Mit neuen, guten Winterreifen bist du gut ausgerüstet wenn dein Ego damit umgehen kann das dir manche Einheimischen mit teilweise hohem Tempo um die Ohren fahren.
Gruss
Werner
An der Küste Norwegens ist es natürlich wegen des Golfstromes wärmer. Aber achtet auf die Winde ab so ca. 70 km vor Honningsvag. In Kombination mit der glatten Fahrbahn kommt man bei Seitenböen schnell ins rutschen.
Danke für deinen Reisebericht und noch weiterhin gute Fahrt! Bei mir gehts in 3 Tagen nach Lappland und ebenfalls bis zum Nordkapp, hoffentlich hält das gute Wetter an
Tag 6 26.12.2019: Alta / Norwegen – Honningsväg / Norwegen
Start um 9:00h und Ankunft um 13:40h (mit vielen Stopps zum Fotografieren)
Etappenlänge: 210 km
Wetter: Abfahrt bei +1 Grad. Weiter weg von der Küste und auf so 300m Seehöhe dann bis zu -8 Grad. Bei der Ankunft dann wieder um die 0 Grad. Zuerst sehr gutes Wetter – die letzten 60 km dann sehr wechselhaft von Schneegestöber und recht starkem Wind bis zu aufgelockert bewölkt.
Sonnenaufgang hat es heute keinen mehr gegeben. Es wird sehr langsam etwas heller und dann dunkelt es wieder ein. Die Fahrt ist anspruchsvoll – auch wenn es so aussieht als ob unter einer sehr dünnen Schneeschicht schon der Asphalt kommt – fast immer ist da zuerst noch eine Eisschicht. Sorgen ob man die Strecke mit dem Auto überhaupt bewältigen kann, mussten wir uns trotzdem nie machen. Wenn wir zum Fotografieren ausgestiegen sind war es schon die grössere Herausforderung, nicht aus zu rutschen.
So 15 km vor Honningsväg unterfährt man in einem Tunnel einen Fjord. Gemäss dem barometrischen Höhenmesser meiner Uhr ist man an der tiefsten Stelle ca. 200M unter dem Meeresspiegel.
Im Hotel sind wir die einzigen Gäste – ich hoffe das ist kein schlechtes Zeichen (Laden einphasig mit 32 A funktioniert aber).
Tiere haben wir (ausser einigen Vögeln) leider heute wieder keine gesehen.
Erkenntnis 1 des Tages: Es ist eindrucksvoll wie sicher sich der Tesla auch auf vereisten Strassen bewegen lässt – da hat jeder Fussgänger mehr Probleme.
Erkenntnis 2 des Tages: Wenn es auch so aussieht als ob man mitten in sehr schlechtes Wetter fährt – wenige Kilometer weiter kann das hier schon wieder ganz anders aussehen.
Morgen geht es ans Nordkapp im Konvoi um 11h. Rückfahrt ist dann wieder im Konvoi um 13h. Dann kommen wir morgen voraussichtlich gegen 18h wieder nach Alta.
Falls der Himmel aufklart, versuchen wir heute noch unser Glück mit dem Polarlicht - haltet uns die Daumen!
Wenn es klappt gibt es natürlich wieder Bilder.
Lese ganz gespannt deinen Reisebericht - das dritte Foto ist ja der der Hammer. Hatte neulich mit meiner Mutter und Schwiegermutter besprochen, dass wir uns eigentlich nochmal Polarlichter sehen wollen, und dann dieses Bild. Da bekomme ich gleich Fernweh!
Tag 7 27.12.2019: Honningsväg / Norwegen - Alta / Norwegen
Start um 10:10h in Honningsväg und dann im Konvoi ab 11h zum Nordkapp. Vom Nordkapp im Konvoi um 13h wieder Abfahrt und Ankunft um 17:10h in Alta
Etappenlänge: 260 km
Wetter: Abfahrt bei -6 Grad. Am Nordkapp dann ebenfalls -6 Grad aber viel Wind. Auf der Rückfahrt weiter weg von der Küste dann bis zu -20 Grad und dann in Alta -9 Grad. Mehrheitlich fast wolkenloser Himmel.
Ein Traumwetter heute aber sehr kalt (wahrscheinlich darum).
Auf der Rückfahrt begann ich an meiner Ladestrategie zu zweifeln: Am Morgen komplett auf 100% geladen (sind bei meinem Model S noch 418 km) und 45 Minuten an der Steckdose vorgeheizt (um den Akku möglichst davon zu entlasten). Als dann die Restkapazität des Akkus in der Anzeige während der Rückfahrt von 10% immer mehr sank und nach ca. 1/4 des Weges bei 7% lag habe ich schon begonnen alternative Lademöglichkeiten auf der Strecke zu prüfen. So 170 Kilometer vor Alta wäre noch ein Destination Charger gewesen. Ich habe mich dann gegen eine Zwischenladung entschieden, aber die Temperaturen sind bis auf -20Grad gefallen und der Ladezustand fiel dann auch schneller als mir lieb war. Am Schluss hatten wir noch 30 Restkilometer in Alta.
Erkenntnis 1 des Tages: Wenn es so aussieht als könnte es sehr eng werden um die vorgesehene Strecke zu schaffen, reicht es vermutlich noch.
Erkenntnis 2 des Tages: Das Besucherzentrum am Nordkapp bietet deutlich mehr als nur Shop und Restaurant, damit relativiert sich dann der Preis von 285 NOK pro Person (ca. 28 €) etwas.
Erkenntnis 3 des Tages: Wenn einzelne Bilder im Besucherzentrum den typischen Touristenandrang am Nordkapp im Sommer gezeigt haben, dann ist der Winter die Jahreszeit um das Nordkapp zu besuchen, wenn man das nicht in Menschenmassen machen möchte.
Morgen geht es nach Narvik - damit beginnt unsere Rückreise aus dem wilden (mittlerweile auch kalten) Norden.