Da frag ich gleich nochmal: In welchem Entwicklungsland leben wir eigentlich, dass wir nicht ein paar Busse über Nacht aufgeladen kriegen und für den Fall eines tagelangen Stromausfalls eine Dieselbusflotte vorhalten müssen.
Die BVG ist Deutschlands größter Busbetreiber. Die haben 1558 Busse im Einsatz. Wenn jeder davon 300kWh über Nacht laden muss, sind das 467.400kWh in 6h. Macht 77900kW Ladeleistung. Es gibt 6 Betriebshöfe. Macht 13.000kW Ladeleistung pro Betriebshof. Also 1/8 der Anschlussleistung eines Lichtbogenofens in der Stahlindustrie. Und das ist der Worstcase. In der Realität fahren nicht alle 1558 Busse, es müssen nicht alle über Nacht geladen werden und es gibt Lademöglichkeiten am Tag (z.B. für die kleineren Nachtbusse). Am Ende kommt dann vermutlich heraus, dass pro Betriebshof die Anschlussleistung eines 20er Superchargers reicht. Da kann ich verstehen, dass die Energieversorger erschüttert sind ob der Aussicht auf elektrische Busflotten.
Dann zum Argument, man bräuchte unbedingt Dieselbusse für den Fall von Stromausfällen. Wann gab es den letzten großflächigen Stromausfall über einen Tag in Deutschland? War das zu einer Unwetterphase, in der eh keine Busse fuhren? War der Stromausfall auf Schlamperei oder übertriebene Sparmaßnahmen zurückzuführen (100-jährige Strommasten…)? Wie oft kommt das in einem Jahrzehnt vor? 0,5x? 0,2x? Muss man eine Infrastruktur, die im Zweifelsfall eh überlastet wäre, wirklich auf solche unwahrscheinliche Extremfälle hin optimieren?
Wenn der Strom großflächig längerfristig ausfällt, fallen auch alle Ampeln aus. Der Verkehr bricht dann zusammen. In Berlin könnten die Busse den ÖPNV allein ohnehin nicht aufrecht erhalten. Die sind ja jetzt schon zur Rushhour überfüllt, wie sollten die noch die Verkehrsströme von Straßenbahn, U-Bahn und S-Bahn aufnehmen? Unmöglich. Erst recht, wenn man eh nur 50% bedieselt lassen will.
Bei kurzfristigen Stromausfällen sehen sich die Betreiber in Berlin ohnehin regelmäßig mit der Einrichtung eines SEV überfordert. Wenn mal wieder Autonome die Stromkabel am Ostkreuz abfackeln, passiert in Richtung SEV nichts. Man kriegt so schnell keinen SEV organisiert - ob elektrisch oder Diesel spielt dabei keine Rolle.
Wenn es Schwellenländer hinbekommen, ihre Stromnetze stabil zu betreiben und reine E-Busflotten fahren zu lassen, dann sind diese Katastrophen- und Kostenausflüchte einfach nur armselig.
Wenn wir etwas für Extremszenarien hin optimieren wollen, dann sage ich: Wir brauchen schnellstmöglich 100% E-Busse. Denn nur die können notfalls auch am Windrad oder der Photovoltaikanlage aufgeladen werden. Ein Dieselbus ist auf kontinuierliche Versorgung mit Kraftstoffen angewiesen, die aus Russland, Norwegen und dem arabischen Raum herangeschafft, unter Einsatz elektrischer Energie raffiniert und dann über das verstopfte Straßennetz mit einem Tanklastwagen zum Busbetriebshof gefahren werden müssen. Die möglichen Schwachstellen bei diesem Kraftstoffverteilnetz sind sehr vielfältig. Fällt der Strom großflächig aus, sind die Raffinerien das erste, was man abschalten wird.
Eine Umfrage unter deutschen Panzerfahrern aus dem Jahr 1945 würde übrigens ergeben, dass die Möglichkeit einer spontanen Aufladung am Windrad praktisch gewesen wäre.