Bundesregierung vs. Bundesratsentwurf zur E-Mobilität

Der Bundesrat hat, wie an anderer Stelle auch schon erwähnt, in seiner Sitzung am 23. September 2016 einen
„Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Förderung der Barrierefreiheit und Elektromobilität“
beschlossen.

Danach wäre der starre, an Allstimmigkeit riechende § 22 Abs. 1 WEG im Hinblick auf die Elektromobilität entschärft worden und hätte zukünftig folgenden Wortlaut gehabt (kursiv=neu):
„Bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, können beschlossen oder verlangt werden, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Die Zustimmung ist nicht erforderlich, soweit die Rechte eines Wohnungseigentümers nicht in der in Satz 1 bezeichneten Weise beeinträchtigt werden. Die Zustimmung ist ferner nicht erforderlich zu baulichen Veränderungen, die für eine behindertengerechte Nutzung des Sonder- und Gemeinschaftseigentums oder für die Installation einer Ladeeinrichtung für ein elektrisch betriebenes Fahrzeug im Sinne des § 2 des Elektromobilitätsgesetzes erforderlich sind, wenn ein berechtigtes Interesse an der Maßnahme besteht und die Maßnahme nicht die Eigenart der Wohnanlage ändert; dies gilt nicht, wenn das Interesse an der unveränderten Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums oder der Wohnanlage das Interesse an der Maßnahme überwiegt. Satz 3 kann durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

Nun hat die Bundesregierung am 09.11.2016 eine Stellungnahme dazu abgegeben und Frau Dr. Kanzlerin hat das ganze dann an den Bundestags-Norbert zur Beschlussfassung des Deutschen Bundestages übersandt.

Die Bundesregierung lehnt nach einer recht politikermäßigen Einleitung („Die Bundesregierung begrüßt die mit dem Gesetzentwurf verfolgten Anliegen, Erleichterungen …“), den Gesetzentwurf unter noch einmaliger Betonung der Gemeinsamkeiten ab („Nach Auffassung der Bundesregierung ist jedoch nicht hinreichend gesichert, dass die gemeinsam getragenen Ziele mit den im Gesetzentwurf des Bundesrates gewählten rechtlichen Regelungen die angestrebte Wirkung entfalten werden und die gebotene Rechtssicherheit schaffen“).

Das Ganze wird mit den ohnehin bestehenden und nicht von dem jetzigen Gesetzesentwurf hervorgerufenen Unzulänglichkeiten des Wohnungseigentumsgesetzes – von denen ich als Wohnungseigentumsrechtler recht gut leben kann :smiley: – begründet.

Sodann verschiebt man das Ganze auf die nächste Legislaturperiode und schreibt der nächsten Bundesregierung schon einmal etwas ins Pflichtenheft:
Die Bundesregierung wird zu Beginn der nächsten Legislaturperiode Vorschläge zur Änderung des Miet- sowie Wohnungseigentumsrechts zur erleichterten Durchführung von baulichen Veränderungen zur Schaffung von Ladeinfrastruktur und Barrierefreiheit unterbreiten. Bei diesen Arbeiten werden die dem Gesetzentwurf des Bundesrates zu Grunde liegenden Überlegungen zu berücksichtigen sein.

Das ganze Paket (BT-Drs. 18/10256) gibt’s hier: dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/102/1810256.pdf

Meine Zusammenfassung:
Wir wollen jetzt mal nichts überstürzen und wir werden auch aktuell nichts anfangen, es sollen sich die nach uns darum kümmern. :blush:

Es geht denen hier auch darum das richtige „mindset“ zu setzen: etwas das schonmal mit solch fadenscheinigen Begründungen ausgehalten wurde fast niemand mehr freiwillig an.

Cheers Frank

Der gute Wille ist zu erkennen, aber die Umsetzung ist tatsächlich grausam, oder siehst Du das als WEG-Experte anders?

Da wimmelt es doch von unbestimmten Rechtsbegriffen. Ist es schon ein berechtigtes Interesse wenn ich mir überlege, dass vielleicht mal eine Freundin mit dem E-Mobil bei mir laden will oder muss ich selbst (gelegentlich oder regelmäßig) ein E-Mobil nutzen? Und das berechtigte Interesse sticht auch nur, wenn andere Interessen nicht überwiegen…

Dieser Gesetzesvorschlag ist doch mal wieder ein Beispiel, dass gut gemeint nicht unbedingt gut gemacht bedeutet - oder übersehe ich da als Projektentwickler ohne juristische Ausbildung irgendwelche Feinheiten?

In unseren Teilungserklärungen hebeln wir die Einstimmigkeit soweit es geht aus in dem wir in der TE das Mehrheitsprinzip soweit zulässig vereinbaren. Da wir bei unseren Projekten aber sowieso strippen für die Lademöglichkeit ziehen sind keine baulichen Veränderungen am Gemeinschaftseigentum für die Einrichtung von Lademöglichkeiten nötig.

Gruß Mathie

Keine Frage, die moderne Gesetzgebung verlagert ja gern die notwendigen Güterabwägungen in den Bereich der Judikative anstatt sich als Legislative – wie es nun einmal die Aufgabe der Legislative ist – des Problems in den Spielregeln selbst anzunehmen. Da aber die Legislative in der Hand von Menschen liegt, die wiedergewählt werden, wenn sie möglichst wenig Menschen „wehtun“, sind klare Ansagen in unseren Gesetzen durchaus selten.

Und natürlich ist das schwach. Aber warum kommt denn jetzt nicht zeitnah, also mit der Regierungsstellungnahme ein entsprechender Gegenvorschlag. Stattdessen lese ich dort nur, dass die WEG-Novelle von 2007 in diesem Bereich auch viel Verwirrung gebracht hat. Aber das ist nichts Neues. Ich sehe angesichts dieser Kritik am bisherigen § 22 WEG in der Regierungsstellungnahme nur, dass man hier ein Problem zu einem grundsätzlichen Problem aufbauscht, um sich anschließend in langatmigen Nichtentscheidenwollen zu üben, denn man hat ja ein Grundsatzproblem.

„Unsere“ deutschen Politiker sind faul, und die Lobbyisten haben bislang noch kein passendes Gesetz vorbereitet, das die Politiker dann wie sonst üblich einfach durchwinken könnten.

Die Realität überholt die rückwärtsgerichtete Politik doch längst.
Trotz einer großen Eigentümergemeinschaft war es bei mir kein Problem die Zustimmung aller Eigentümer für einen Ladeanschluss zu bekommen, man muss die Leute vorher nur gut informieren und dann sind alle froh, dass einer damit anfängt.
Allerdings liegt der Antrag seit einem Jahr unbearbeitet bei den Stadtwerken München (angebliche „Modellregion Elektromobilität“), es wird also nach wie vor versucht zu verhindern, wo es nur geht.

Gibt es Neuigkeiten?

Was gibt’s Neues?
Nunjaaaahh … gähn — es geht mit Riesenschritten gaaaanz gemääählich voran
(Motto: Und wenn ich nicht mehr weiter weiß, bild‘ ich ’nen Arbeitskreis), hier im O-Ton:

Da sehen wir wohl in diesem Jahr nichts mehr und können nur hoffen, dass der Entwurf des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz bezüglich der Änderungen des § 22 Abs. 1 WEG nicht Gesetz wird, denn welcher Verwalter kann in der Praxis halbwegs sicher feststellen, wessen Rechte durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Das können die Gerichte nach Beweisaufnahme zumeist erst nach 2 Instanzen oder manchmal erst der BGH – aber der Verwalter, der kann es, der bekommt dafür schließlich Geld und darf dann dafür noch haften, na klar und ich bin der nächste Papst… (ok, das hat jetzt nix mit Ladestationen oder TESLA zu tun, zeigt aber wie befreit von den Wirrnissen des Alltags unsere Gesetze entstehen)

(Edith hat Links eingefügt und den Verfasser des besonders angeprangerten Entwurfes korrigiert)