Wer muss sich zuerst "umschauen"

Im großen und ganzen gilt hier im Forum der Konsens: „die etablierten Hersteller werden sich noch umschauen müssen“, wenn ja wenn die Elektromobilität quasi „plötzlich“ ihren Durchbruch erlebt.

Allerdings taucht in der Diskussion um Ladestationen und speziell SuC auch die umgekehrte Aussage auf, dass sich Tesla demnächst „umschauen muss“, wenn die deutschen erstmal ihre Super-Schnelllader ausrollen und das SuC-Netzwerk quasi „plötzlich“ veraltet aussehen wird. Oder wenn die etablierten Hersteller „Ernst machen“ und auch quasi „plötzlich“ einen Haufen brauchbarer E-Autos anbieten (und liefern können).

Ehrlich gesagt, sehe ich derzeit keine Anzeichen, dass entweder das eine noch das andere eintreten wird. Tesla läuft seit einigen Jahren erfolgreich dem Markt voraus und die etablierten Hersteller machen weiterhin seit Jahren gute Profite mit Verbrennungsmotoren.

Wäre es da nicht sinnvoll, in den Diskussionen hier die Erwartungen ein wenig zurück zu nehmen und einfach abzuwarten bis es tatsächlich soweit ist? Denn falls wir uns mit diesen Spekulationen nicht zurück halten, dann sind wir eigentlich nicht besser als die Ankündigungen von neuen Elektrofahrzeugen in [dieses Jahr + 2].

Ehrlich gesagt halte ich das für ähnlich kurz gedacht wie von den „etablierten“ Herstellern. Das eine ist die Zukunft, das andere ist die Vergangenheit. Wenn irgendwann mal die deutschen Hersteller anfangen die Elektromobilität erstzunehmen, ist Tesla 10 Jahre und mehr voraus. Das ist ein Vorteil. Ich kann nur jedem die Vorträge von Lars Thomsen empfehlen. Er macht deutlich, dass es durchaus ein „plötzlich“ gibt. An dem Punkt werden wir uns vermutlich von einigen Autoherstellern verabschieden.

Da beschreibt ein Vorstandsmitglied (Johannes Teyssen) von EON, warum große alte Konzerne das Marktgeschehen anstarren wie das Kaninchen die Schlange, statt progressiv zu agieren. Die Analogie der versteinerten Welt der Energiewirtschaft vor 10 - 15 Jahren bezüglich der „erneuerbaren Energien“ zum jetzigen Zustand der alteingesessenen Automobilindustrie ist lesenswert!

[url]https://background.tagesspiegel.de/das-truegerische-gefuehl-der-unangreifbarkeit/[/url]

Ein etwas widersprüchlicher Artikel.
Anfangs sieht es nach Einsicht aus, aber dann kommt so eine Aussage:

Liest sich genau wie die Einschätzung der etablierten Hersteller, dass der Verbrennungsmotor noch eine lange Zukunft hat.

Das ist doch das Tolle daran.

Einsicht von Fehlern; mit dem Finger auf andere zeigen und trotzdem nicht über den eigenen Schatten springen.

Ich finde das einfach faszinierend, wie man mit wehenden Fahnen, voller Freude und Überzeugung auf den Abgrund zuläuft und dabei noch auf die anderen zeigt, wie dumm sie sind, dass sie auf einen Abgrund zulaufen.

An alten Dingen wird einfach festgehalten - „Der Verbrennungsmotor wird auch in Zukunft eine große Rolle spielen“ - in dem Artikel kommt aber schon deutlich die Fehleinschätzung in der Vergangenheit rüber. Nur an der Projektion für die Zukunft fehlt es.

Wenn ich mir die laienhafte Umsetzung bei T&R so anschaue, dann werden noch etliche Schaltjahre ins träge (Deutsch)Land gehen, bis Karrossen wie ein E oder S-Klasse solche KM Leistungen abspulen, wie jeder Tesla es nebenher macht. Und ob so locker flockig ab 2020 die heutigen 50 kW Säulen mal eben auf 150 kW umgestöpselt werden… we will see. Vorallem auch die Preise dafür. Etwas flotte Fahrt ( 28 kWh ) und das bei Allego STAND HEUTE geladen, sind schon 20 Euro auf 100 KM. Das wird sicher bei 150 oder 350 kW Ladeleistung kaum weniger werden. Sollten solche Preise weiter so gehen, erstickt entweder die (deutsche) E-Mobilität bereits im Keime, oder es geschieht ein Wunder und die ganzen Honks, die einem bei 150 kmH mit 20 Meter hinten an der Stossstange kleben erlernen vorausschauendes Fahren. Ich denke jedoch mit der dt. Verbrennerlobby im Hinterkopf wird sich kaum was ändern! Solange der Sprit so günstig aus der Tankpistole innerhalb von 5 Min. den Tank füllt, ändert sich bis auf paar Feigenblatt Karossen kaum etwas.

Warum gehen so viele hier im Forum davon aus, dass entweder die anderen dumm sind oder das was sie tun?

Die etablierten Hersteller machen (wie schon erwähnt) derzeit gute Profite. Für die aktuelle wirtschaftliche Situation machen sie also alles richtig. Das ist nichts, was man als dumm bezeichnen sollte.

Und wo wir gerade bei Metaphern sind: vielleicht entpuppt sich der „Abgrund“ beim näher kommen auch nur als mehr oder minder große Straßenunebenheit und nach einem kurzen holpern sind die etablierten wieder vorn mit dabei?

Betrachten wir einmal nur das Problem der Aktionäre.

Der Mercedes Aktionär sagt, der Tesla Aktionär muss Wahnsinnig sein, seit Jahren nur Verluste und keine Dividende.
Der Tesla Aktionär sagt, der Mercedes Aktionär muss Wahnsinnig sein, irre Renditen statt wichtige Investitionen, um die Firma zukunftsfähig zu machen.

Was würde mit dem Mercedes Aktienkurs passieren, wenn es morgen heißt: „Für den Bau von Akkufabriken wird für die nächsten 7 Jahre die Dividende um 70% gekürzt“?

Die alten Autokonzerne mögen zwar nette Gewinne machen, aber die müssen all das Geld an die Aktionäre verteilen, weil diese sonst die Aktie gleich verkaufen und der Kurs abstürzt.

ich finde das auch ein superspannendes (und wirklich offenes) thema. die analogie tesla/apple und andere hersteller/nokia bei mobiltelefonen etc. drängt sich ja schon irgendwie auf. zb wurde das iphone ja anfangs auch ziemlich verlacht. die erste version hatte nicht mal 3g, die laufzeit war glaube ich deutlich schlechter als bei der konkurrenz, und zum touchscreen hieß es „waas, der verschmiert doch total“. durchgesetzt hat es sich offensichtlich trotzdem, weil es diese nachteile irgendwie deutlich überwog, mit einer mischung aus funktion und image, würde ich sagen. nokia wiederum ist nicht mehr, harte konkurrenz gibt es trotzdem, aber zu guten teilen neu entstanden und mit neuer struktur (zweiteilung software und hardware, außer halt bei apple). apple ist nicht mehr marktführend bei den smartphone-stückzahlen, aber technisch (arguably) immer noch vorn und auf jeden fall hoch profitabel. und plötzlich hat jeder zweite mindestens 2 solche geräte in verschiedenen größen…

ok telefon- und autobranche haben natürlich sehr unterschiedlich lange produktzyklen, was bedeutet, die etablierten hersteller haben mehr zeit zu reagieren (aber die reaktion ist auch schwieriger). was spricht für euch noch dagegen, dass wir bei autos ein ergebnis ähnlich wie bei smartphones sehen werden?

Wer redet denn von „dumm“? Überheblich, arrogant, selbstverliebt, eingebildet, rückwärtsgewandt, am hohen Roß trabend mit weißen Kittel… trifft es viel eher. Nimm mal den i-Pace von Jaguar als schlichtes Beispiel, oder den E-Tron von Audi ab nächstes Jahr. Wo soll ich diese Wägen bitte im nächsten Jahr laden, wenn ich auf Strecke bin? Bei T&R am single oder am double Lader? Echt jetzt? Schon mal in Achern (A5) oder Pforzheim (A8) die letzten Jahre vorbei gekommen? Viel Spaß. Mag ja sein, das sich die ZOE oder Leaf Zielgruppe mit diesen Umständen arrangiert hat, aber bei Fahrzeugen jenseits von 60.000 Euro wird sich doch kaum jemand bei Lichte auf solche Späßchen einlassen. Und seh auch kaum den Platz auf DIESEN Rasthöfen mal eben von 2 auf 10 Stals ( :laughing: ) zu erhöhen! Beim Urlaubs Reiseverkehr herrscht dort das Faustrecht - ich seh schon die Bilder vor meinen Augen.

Wo macht Tesla Verluste? Soll sich Tesla auf dem Models S und Model X ausruhen? Einfach „in Produktion“ bleiben? Schön im Schauckelstuhl sitzen? Ich kann das mit den Verlusten kaum noch hören. Bei der Größe an Firma kann man sich das Verhalten garnicht erlauben und mit einem frontman wie Elon auch kaum umsetzbar. Jeder der selbst mal eine Firma für 12 Euro am Rathaus hat einschreiben lassen wird das bestätigen.

Im Ernst jetzt? Wer aus der Geschichte nicht lernt…

Wie kann man sich die aktuelle Situation schönreden? Quasi jeder Paradigmenwechsel, und nichts anderes erleben wir derzeit, ging mit großem sterben eingesessener Hersteller einher. Das liegt auch fast in der Natur der Sache. Das Problem, mit dem „alten“ Geschäft noch viel Profit zu machen und neue Technologien zu unterschätzen hat schon immer dazu geführt, dass etablierte Unternehmen zugrunde gegangen sind. Es wiederholt sich nur, was es schon zig mal gab (Flugzeug-Schiff, Auto-Kutsche, Smartphone-Handy, Digitalfotografie-Analogfilm etc.) Diese Liste ist lang. Aus diesen Veränderungen haben es nur sehr wenige Hersteller der alten Technologien in die Neuzeit geschafft.

Schlimm nur: Dieses Mal ist es mit Ansage.

krassesPferd.

Paradigmentwechsel? :nerd:

Ob wir mit Ökostrom rumfahren oder mit Diesel ist schon ein Unterschied, der Platzbedarf am Auto ist es doch das selbe. Da ändert sich am Grundproblem des Individualsverkehrs kaum etwas. Und die Preise für E-Autos werden auch kaum einen Paradigmentwechsel vorrantreiben. Nicht mal Sono Motors oder Renault mit der ZOE40. Für die meisten sind das schon Luxuswägelchen. Ein IPhone für 800 Euro kann sich zur Not ein Hartz4 Absolvent irgendwie beschaffen, aber ein E-Auto?

Ich bin überzeugt mit entsprechendem Willen muss Tesla sich umschauen. Jeder deutsche OEM kann aus dem Stand ein besseres EV als Tesla bauen. Aber die werden nicht von einem Missionar geführt sondern haben Gewinnmaximierung (mit allen Mitteln wie wir gesehen haben) als Ziel. Mit dieser Zielsetzung alles „richtig“ gemacht. Erst wenn in einer Modellierung der Umsätze und Kosten sowie Investitionen aus Steuergeldern und Zwängen durch Regulierung der richtige Zeitpunkt ist werden Konzerne mit Bestandsgeschäft umsteuern. Wir haben da sicher nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen und die Auzomobilmanager sind alle blöd. Das zu glauben wäre Realitätsverlust. Bei Tesla stand auf der „kanibalisiertes Bestandsgeschäft zu höheren Investitionskosten und niedrigeren Margen“ Seite der Gleichung zu Beginn eine 0. Jetzt kanibalisiert das M III das MS/MX aber Tesla will etwas anderes als die Konzerne. Sympathischer für mich: Ja. Aber es beleibt ein nicht konkurrenzfähiges Startup das den Markt antreibt weil die Konkurrenz den Markt nicht will, oder wollte. Es wird interessant ob der Wille kommt, dann muss sich Tesla umschauen.

Auch mal daran denken dass der Markt nicht aus Deutschland besteht. Nur weil hier nix geht heisst das nicht dass das überall so ist. Die oaar Millionen Autos machen nicht die grosse Kohle…

Eben! Das ist aber noch schlimmer, denn dann machen es andere. Passiert ja auch schon: Hyndai, Nissan, Renault, BYD, Tesla und viele, deren Namen ich nicht aussprechen kann.

Wegen Elektromobiltität: Daimler schwächt Rendite-Ziel ab

Daimler plant eine Elektro-Offensive – doch mehr Stromer-Modelle bedeuten weniger Gewinn. Deshalb gibt es bei den Schwaben jetzt ein Vier-Milliarden-Euro-Sparprogramm. „Doch Vorstandschef Dieter Zetsche hat noch mehr vor“, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Daimler will für den Wandel zur Elektromobilität massiv in Vorleistung gehen. Dazu müsse der Konzern sparen, die Rendite dürfte sinken, kündigte Zetsche auf einem Investorentag in Sindelfingen kurz vor der Automobilmesse IAA an.

ecomento.de/2017/09/13/elektrom … e-ziel-ab/


Wie ich schon sagte :wink:

Von nix kommt nix…

oder anders gesagt: Theorie und Wahnsinn liegen dicht beieinander. Vorallem wenn Leute immer zu von Renditen sprechen. Einfach mal selber machen. Was ganz neues auf den Markt werfen und gleichzeitig Rendite bezahlen. Als Trockenübung einfach mal ne Dönerbude in bester Lage 6 Monate am laufen halten. Dann quatschen wir mal weiter.

:: Schlimm nur: Dieses Mal ist es mit Ansage. ::

genau, und das hängt wohl u.a. mit den längeren produktzyklen zusammen. abgefahren ist der zug für die traditionellen hersteller wohl noch nicht, würde ich sagen. eng wirds aber allemal… allgemein herrscht ja glaube ich die meinung, dass die supercharger-infrastruktur ein wesentlicher und schwer einholbarer vorteil für tesla ist. allerdings ist der größte e-markt ja wohl kurz- bis mittelfristig china, da gibt es glaube ich noch keine supercharger, aber haufenweise e-auto-startups, und der staat steht hinter der technologie, was in diesem land auf jeden fall ernst zu nehmen ist. ich geh auch davon aus, dass die eu eine regelung zu einer eu-weiten ladeinfrastruktur zusammengedengelt kriegen wird, die den interessen der europäischen hersteller dienlich ist.

so oder so wird das ein interessantes lehrstück, und ich glaube, inzwischen darf man davon ausgehen, dass e-autos nicht mehr aufhaltbar sind :slight_smile: obwohl ich ja manchmal denke, akku für zb 300km oder so plus gescheiter fester range extender für seltene langstrecken wäre insgesamt vielleicht (kosten)effizienter

Wenn die Chinesen anfangen, dann geht es schnell. Die Chinesen werden auch nicht auf deutsche Hersteller warten. Vorher bauen die sich eine eigene Struktur auf. Die Fahrzeuge haben sie schon. Nebenbei ist dann einer der wichtigsten Märkte der deutschen Hersteller einfach weg.

…stimmt, das würde allerdings ziemlich ungeil für vw und co :slight_smile: daran hatte ich gar nicht gedacht - die sind doch in den letzten jahren glaube ich sowieso nur noch gewachsen, weil china plötzlich da war