Natürlich geht das „Verbieten“ nur nach und nach, eben sobald eine vernünftige Alternative verfügbar ist. Solange es keine dieselfreien RTWs gibt, dürfen die natürlich nicht verboten werden, und danach dann auch nur die Neuzulassung oder Herstellung.
Lokomotiven sind aber doch das klassische Beispiel für Elektromobilität. Ich kann nachvollziehen, dass dir die Forderung nach 100% (oder 99,7%) Elektrifizierung zu plakativ ist, in einer kurzen Rede auf dem Parteitag war aber vermutlich nicht genug Zeit, um das differenziert zu diskutieren. Schön, dass wir es hier versuchen.
Grundsätzlich sehe ich es aber wirklich so: Wir müssen die Energiewende herbeiführen, koste es was es wolle. Natürlich ist ein Problem, dass die Bahn in Konkurrenz zu anderen klimaschädlichen Verkehrsmitteln steht und so hohe Kosten dazu führen würden, dass mehr Leute Fernbusdiesel oder Autodiesel fahren => das wäre dann kontraproduktiv.
Ich bin mir aber auch sicher: Wenn man bei manchen Strecken nicht nur auf die kurzfristige Wirtschaftlichkeit der Elektrifizierung (mit kleinen Nebengedanken zur Ökologie / Klima) achten würde, könnte man da schon was machen. Irgendwie haben es ja auch die Schweizer geschafft, ohne die Bahnpreise ins Unermessliche zu steigern. Es ist schon ein Unding, dass auf Personenbahnhöfen regelmäßig dieselnde Fahrzeuge herumstehen. Dagegen riecht es in der Mitte einer vierspurigen Bundesstraße teilweise noch harmlos (habe ich an der Dortmunder Haltestelle Rombergpark mal getestet, ist auch übel). Ziel sollte also einerseits sein, die 90% elektrischen Verkehrs weiter zu steigern auf 95% oder mehr (alternativ Umstellung auf erneuerbare Treibstoffe statt Diesel für den Rest des Streckennetzes), und die Aufenthaltszeit von Dieselfahrzeugen in Personenbahnhöfen zu minimieren.
Zu den 20TWh kann ich auch nichts erhellendes beitragen, vermute aber mal, dass eine Oberleitung mit wenig Verkehr deutlich weniger Energie benötigt als eine Oberleitung mit viel Verkehr. Daher kann man die 12TWh eher nicht so hochrechnen. Strom sollte in einer Leitung jedenfalls idealerweise nur fließen, wenn dort auch ein Zug fährt, der den Strom aufnimmt. Wenn dort größere Mengen Strom fließen würden, könnte ein Fahrdraht nicht vereisen. Letztes Jahr gab es aber auf einer meiner nächtlichen Fahrten mit dem ICE starkes dauerhaftes „Bügelfeuer“ bei Minusgraden, daraus schließe ich, dass die Leitung nicht sonderlich warm wird, sonst wäre sie nicht vereist. Einen gewissen Strom hat man aber sicherlich trotzdem auch wenn gerade kein Verkehr ist. Solange nur Spannung drauf ist bei idealen 0 Ampere Strom wird jedenfalls keine Energie verbraucht. Die unzähligen neuen AKW und Kohleblöcke für die Elektrifizierung sehe ich aktuell nicht.
Sicher ist eine BR245 besser als eine alte Diesellok. Ein Euro6-Diesel ist ja auch besser als ein Euro5-Diesel (vielleicht). Trotzdem hoffe ich, dass wir das Dieselzeitalter noch zu meinen Lebzeiten zu 95% oder so verlassen können. Und die Bahn ist eben ein sehr naheliegender Kandidat für die Umstellung. Wobei ich auch immer wieder die Frage im Kopf habe, ob nicht vielleicht leichte Triebwagenfahrzeuge mit vielen Akkus im Tesla-Style ausgestattet werden könnten, so dass z.B. die Augsburg–Ingolstadt-Strecke rein elektrisch gefahren werden könnte, um dann in den Bahnhöfen via Fahrdraht wieder aufzuladen. Dann könnte man sich das Geld für den Fahrdraht sparen. Wenn das echt so teuer ist, müsste ja einiges für viele MWh Akku übrig bleiben.
Das Problem ist wohl einfach: Niemand kann genau sagen, welche Umstellung als erstes angegangen werden sollte, weil sie die besten Effekte hat. Ich kann auch nicht einschätzen, ob man besser die Kaufprämie für E-Autos erhöht oder das Geld doch lieber in Ladestationen oder Fahrdraht steckt. Für solche komplexen Fragen zum effizienten Einsatz der verfügbaren Mittel hat sich bisher die Marktwirtschaft als gutes Mittel herausgestellt. An Stelle der Grünen würde ich also weder Diesel verbieten, noch Geld für Oberleitungen lockermachen, sondern an der Quelle ansetzen: Dem Verkauf fossiler Brennstoffe. Die müssen einfach stärker besteuert werden, wenn man sie stärker loswerden will. Im Gegenzug dann andere Steuern senken. Ob es sich dann für die Bahn eher rechnet, auf Strom umzustellen, oder ob der Ladesäulenbetreiber dann ein Geschäftsmodell sieht und ausbaut, ist deren Sache. Das andere Thema sind dann noch gesundheitsschädliche Abgase, hier könnten Gesetze zur Atemluft helfen. Die haben wir zwar, verfolgt wird bei der Sache aber nichts. Warnschilder zum „Feinstaubalarm“ sind alles, was wir bisher bekommen haben. Vielleicht ja bald auch am Bahnhof.
Auf jeden Fall viel Spaß beim Stromern