Heute war ich bei Belarus’ erstem Chademo in Minsk. Aufgebaut von der progressiven, privaten Kette A-100, die auch gleich noch den ersten Nissan Leaf des Landes zuließ und an Interessenten vermietete.
Der Mitarbeiter an der Kasse war unsicher, wie es geht - wusste aber sofort, wo er nachschauen (wie gehts überhaupt) und wen er anrufen muss (Tesla steht gar nicht auf der Liste). Dabei sagte er euphemistisch, dass die Nachfrage nicht so groß sei. Später sagte er, wir seien seit der Eröffnung vor über einem Jahr die ersten überhaupt, die daran laden wollten.
Der Chademo-Adapter funktionierte an der belarussisch-litauischen Eigenentwicklung nicht. Die Säule lieferte zwar Spannung, der Tesla lieferte dann aber wohl nicht rechtzeitig die nötigen Daten zur Stromstärke. Die Spannung fiel wieder auf 0, wenige Sekunden später startete die Säule einen zweiten Versuch, der wieder mit einem CAN-Fehler in der Säule endete.
Der Mitarbeiter der Tankstelle versuchte es etliche Male, bis er den Hersteller anrief. Wir hatten es Sonntag 15:00 und bestes Sommerwetter. Doch die Antwort war, in 15min sei jemand da, er wolle ohnehin kommen. Der Mitarbeiter der Tankstelle wartete die ganze Zeit bei uns. 25min später fährt ein dicker Jaguar neben uns auf den Parkplatz. Auf dem Fahrersitz ein stämmiger Mann mit AC/DC-T-Shirt, auf dem Beifahrersitz eine junge Frau. Ich denk mir noch, was der wohl jetzt für einen blöden Kommentar abgeben wird.
Der Mann steigt aus, öffnet den Kofferraum und zieht zwei Tesla Chademo-Adapter heraus. Einen mit Typ2, einen mit dem amerikanischen Tesla-Stecker. Das letzte, was ich an einem Sonntag in Belarus erwartete. Er setzt ein Tesla-Basecap auf und stellt sich als Geschäftsführer des Säulen-Herstellers vor.
Sein eigener Tesla sei bestellt und komme bald - er zeigte mir auch schon die geplante Werbe-Folierung. Trotz von ihm aufgespielten Software-Updates und des zweiten Chademo-Adapters (mein erster Adapter funktionierte in Berlin bei ABB auch nicht) blieb es beim Ladefehler. Er nahm dann noch Videos für seine Techniker auf und hoffte, noch während unseres Minsk-Aufenthalts ein neues Update liefern zu können. Während wir testeten, lud er uns auf seine Datscha ein oder bot alternativ an, ein Abendprogramm in der Stadt für uns zu organisieren. Wir waren aber schon verabredet.
Seine Freundin ging derweil Einkäufe für die Datscha tätigen, was er mit „Datscha kann ich jeden Tag haben, Elektroauto nicht“ quittierte.
Während der Tests lieferte er interessante Einblicke in die Tesla-Kultur Osteuropas. Eine offizielle Repräsentanz gibt es von Tesla bekanntlich nicht. Aber in Moskau gibt es eine Firma, die sich auf Tesla-Importe und Service spezialisierte. Aus dem Kofferraum zog er ein Tesla Model S Handbuch in bester Druckqualität komplett auf russisch. Das Unternehmen nimmt Reparaturen bis hin zu Firmwareupdates und Batteriewechsel (400V-Hauptbatterie natürlich) vor. Im Prinzip ein vollwertigeres Servicecenter als die SeCs von Tesla selbst. Denn es werden auch Karrosseriearbeiten erledigt und jeder Ort in Russland als Rangerservice angefahren.
Den amerikanischen Chademo-Adapter habe er besorgt, weil ein wohlhabender Kunde schon vor Jahren ein Model S aus Amerika importierte und jetzt mit einem privaten Chademo wenigstens semi-schnell laden will.
Gut, dass wir seine Säule vor Auslieferung an den Tesla-Fahrer testen konnten.
Den Namen des Herstellers nenne ich auf seinen Wunsch noch nicht. Meine Hinweise, dass er nicht der einzige sei, der mit dem Chademo-Adapter von Tesla Startschwierigkeiten habe und das ein Update seiner Säule oder des Adapters das Problem sicherlich lösen, beruhigten ihn nicht.
Gestrandet bin ich übrigens nicht - neben dem Chademo hatte A-100 schon vorher eine von ihm handgefertigte Edelstahlsäule mit CEE16 gebaut. Und wenn die auch nicht funktioniert hätte, bot er uns schonmal prophylaktisch an, auf jeden Fall für uns Strom in der Stadt zu organisieren.
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Mit Tesla fällt man in Osteuropa auf, als würde man so durch die Lande fahren:
Man wird von praktisch jedem Autofahrer angesehen, manche freuen sich auch sichtlich. Wobei ich mich dann in Belarus frage, was sie wohl mehr freut. Der Tesla oder der Fakt, dass sich mal ein Deutscher ins Land traut.
Vor allem die Jugend kennt Tesla augenscheinlich auch schon sehr gut. Als wir in Baranovichi auf einem Hinterhof parkten und das Auto von der Wohnung aus beobachteten, hätte ich am liebsten ein Video gedreht. Im Minutentakt kamen Jugendliche vorbei, um Fotos mit sich und dem Auto oder nur dem Auto zu machen. Wir haben dann schon geschaut, ob man im osteuropäischen Facebook-Clon neue Fotos aus einer bestimmten Region anzeigen lassen kann - in der Erwartung, dort dann lauter Fotos von unserem Auto zu sehen. Die Funktion gabs aber nicht.
Die meisten hatten soviel Respekt vor dem Auto, dass sie beim Blick in den Innenraum mit der Hand nichtmal die Scheibe berührten. Manche Szenen waren filmreif. Z.B. der Vater, der sich eben noch mit seinem weinenden Sohn beschäftigt und dabei läuft. Dann blickt er zum Auto und bleibt augenblicklich stehen. Sohn egal - dafür Handy raus und Fotos gemacht.